Leverkusen: „Riccardo Primo“

Ein echtes Händel-Feuerwerk

bietet die Bayer-Kulturabteilung in dieser Saison im Leverkusener Erholungshaus. Nach „Giove in Argo“ und „Rinaldo“ war nun der selten gespielte „Riccardo Primo“ als Gastspiel von den Händelfestspielen in Halle an der Saale zu sehen. Das Publikum war ganz aus dem Häuschen und spendete frenetischem Applaus, der durch heftiges Getrampel verstärkt wurde.

„Riccardo Primo“ handelt zwar von dem englischen König Richard Löwenherz, ist aber kein Ritterepos wie man es aus dem Kino kennt, sondern die übliche Mischung von Politik und Liebesgeschichten wie sie uns in allen Händel-Opern begegnet: Richard I. und seine Braut Constanza, die sich noch nie begegnet sind, stranden zeitgleich auf Zypern, wo der intrigante Herrscher Isacio sein Unwesen treibt. Isacio will Richard seine Tochter Pulcheria als Constanza unterjubeln. Weil Pulcheria aber mit Oronte verlobt ist, führt das zu den üblichen barocken Wirren und Intrigen, die aber natürlich in einem Happy End münden.

Das Bühnenbild von Mechthild Feuerstein besteht lediglich aus Constanzas Brautzimmer, das am Beginn der Oper vom Sturm zu einem Möbelberg aufgetürmt wird, sich dann aber ordnet. Regisseurin Clara Kalus inszeniert die Geschichte sorgfältig und weitgehend realistisch aus der Psychologie der Figuren heraus. Jedoch führt die Tatsache, dass es nur ein Einheitsbühnenbild gibt, das nur leicht variiert wird, dazu, dass die Anschlüsse der einzelnen Szenen nicht immer funktionieren.

Klischeehaft wird Zyperns Herrscher Isacio als dekadenter Tyrann überzeichnet: Stets ist er im Glitzerjacket gewandet und führt bei seinem ersten Auftritt seine Tochter Pulcheria am Hundehalsband auf die Bühne. Platt ist auch die Szene, in der Pulcherias Verlobter Oronte Richard mit Maschinenpistolen ausstattet und die beiden Zielübungen veranstalten. Ein Bruch innerhalb dieses realistischen Inszenierungsstils ist das Finale: Constanza bedeckt die anderen Akteure mit einer Plastikplane, die eine neue Wellenlandschaft entstehen lässt. Will sich die Braut so von allen Intrigen frei machen und segelt sie wieder hinaus auf das Meer?

Das Ensemble das hier zu erleben ist, besteht aus jungen Sängern, die teilweise noch studieren. Beim Lesen der Biografien befürchtet man, die jungen Leute könnten überfordert sein, doch wenn dann der Vorhang aufgeht, ist man begeistert von dem frischen Klang der Stimmen und ihrer stilistischen Sicherheit.

Julia Böhme singt den Ricardo mit gradliniger Attacke und kann in ihren Arien furios auftrumpfen. Marielou Jacquard begeistert als Constanza mit einer strahlenden Sopranstimme und einer anmutigen Interpretation der Rolle. Zudem gelingen ihr glänzende Koloraturen.

Polina Atris gibt die Pulcheria mit robustem und kräftigem Mezzo als eine selbstbewusste junge Frau. Als ihr Verlobter Oronte gefällt Georg Arssenij Bochow mit seinem hellen Altus, der mühelos anspricht. Als Tyrann Isacio klingt Ludwig Obst viel zu freundlich. Seine Stimme klingt so hell, dass man gar nicht merkt, dass er ein Bass ist. Cornelius Uhle hört sich da wesentlich kerniger an und spielt den Diener Berardo auch mit intelligentem Witz.

Großartig ist die Berliner Lautten Compagney unter der Leitung von Wolfgang Katschner. Der Basso continuo trägt das Orchester mit sanftem Swing, die Streicher spielen energiegeladen, auf und die obligaten Instrumente treten mit den Solisten und schöne musikalische Dialoge. Zudem gönnt sich Katschner, trotz historischem Instrumentarium, auch verspielte Ansätze, wenn Tamburin, Glockenspiel, Kastagnetten und Kazoo zum Einsatz kommen.

Trotz einiger szenischer Schwächen ist dieser“ Riccardo Primo“ ein musikalisches Händel-Fest. Man darf gespannt sein, was die Bayer Kulturabteilung in der nächsten Spielzeit spannendes zu bieten hat. Barockfans kommen hier voll auf ihre Kosten.

Rudolf Hermes 14.4.15