Leverkusen: „Das Unmöglichste von allem“, Anton Urspruch

Erstaufführung im 20./21. Jahrhundert

Kennen Sie Anton Urspruch (1850-1907), mir war er tatsächlich durch die Biographie des Kapellmeisters Felix Mottl ein Begriff. Urspruch war zu seiner Lebenszeit durchaus kein Unbekannter, als Schüler einiger berühmter Komponisten wie Ignaz Lachner oder Joachim Raff, war er nicht zuletzt einer der Lieblingsschüler von Franz Liszt. Sein größter Erfolg, "Das Unmöglichste von Allem", wurde eben von Felix Mottl in Karlsruhe 1897 als eine der wenigen, guten Komischen Opern nach den Meistersingern mit großem Erfolg aus der Taufe gehoben und an etlichen Bühnen (u.a. Köln und Prag) nachgespielt. Mit jüdischer Abstammung des Komponisten verschwandt das Werk spätestens ab 1933 von den Spielplänen. Die Handlung ist nach einer Komödie von Lope de Vega von Urspruch verfasst und vertont: eine hübsche Verkleidungsgeschichte im spanischen Milieu um Ritter, adlige Fräuleins, Kammerzofen und -diener, auf der Wette mit einer recht emanziperten, liberalen Königin. Freilich leidet das Libretto unter einer recht schnurrigen, antiquierten Ausdrucksweise, hat also schon ordentlich Grünspan angesetzt. Die Musik ist indes recht gut konzipiert, leicht spanische Anklänge, eine gekonnte Orchester- und Gesangsstimmen-führung mit vielen Ensembles, doch so richtig springt der Funke nicht über (,was auch an der Aufführung liegen könnte), denn es fehlt so recht an Ohrwürmern, eingängige Melodik sind aus fremden Werken (Mozart und Weber) zitierte Stellen.

Copyright: Die wunderbaren Bilder sind von Robert Pflanz

Im Forum Leverkusen entschied man sich auch für eine Fassung des Urspruchschen Autographs, welches Mottl bereits zur Uraufführung bearbeitet hatte, warscheinlich nicht ohne Grund, denn in dieser Form fand die Oper ihre Verbreitung und machte Furore. Beeindruckenderweise legte Peter P. Pachl, dem schon viele Wiederausgrabungen dieser Zeit zu verdanken sind, zumal von Siegfried Wagner (Biographie), das Vorhaben mit einer Einspielung beim Label Marco Polo, sowie Ausstrahlungen über WDR 3 und Deutschlandfunk, sowie einer DVD an. So schön und gut, doch Wollen ist Eines, Können ein Anderes

Lange habe ich überlegt, ob ich das jetzt schreibe, denn dieses gutgemeinte Vorhaben verdient Unterstützung, ma…

Es ist nicht schlimm, wenig Geld zur Verfügung zu haben, doch sollte man sich seiner Möglichkeiten bewußt sein, so ist die sparsame Bühnenausstattung von Robert Pflanz aus variierbaren, schrägen Camouflage-Stoffen kein Hindernis, doch wenn man sich fragt, welche Drogen die Menschen auf der Bühne genommen haben, ständig den Kopf schüttelt (nicht nur der Rezensent), über Dinge die man niemals auf den Brettern sehen wollte, so steht das auf einer anderen Karte. Pachls Inszenierung entzieht sich in ihrer Stümperhaftigkeit eigentlich jeder Bewertung, schlimmster Pennälerhumor mit peinlichsten Sexualitätlichkeiten lassen zu unterem Niveau aufblicken, die Kostüme sind einfach häßlich, sehen aus wie aus einer ollen Karnevals-Verkleidungskiste mit schlimmem Geschmack ausgesucht, diese Männer in Discostrumpfhosen verfolgen einen in die abscheulichsten Designer-Albträume. Aaargh….nä !

Von den Sängern gefallen Robert Fendl mit schönem Kavaliersbariton, aber szenisch sich mitdirigierender Bühnenpräsenz, Caterina Maier als Koloratursoubrettenkammerkätzchen, die leicht charaktervolle Sopranstimme von Anne Wieben als jugendliche Liebhaberin, Laurent Martin und Stephanie Firnkes als dauerdebiles Dalmatinerbuffopaar, Rebecca Broberg hat trotz schriller Höhe, auch gelungene Passagen, wenngleich sie sich als Königin wie eine alte, jöckige Eule aufführen muß. Doch dann schlägt das "Fest der unschönen Stimmen" zu: Matthias Grätzel bringt weder die Physis für einen jugendlichen Liebhaber mit, sein Tenor macht schlichtweg Ohrenpein. Ralf Sauerbrey als Oberbuffo Ramon hat neben oberpeinlichen Auftritten als verkleideter Farbiger einen nöhlenden Bariton, der den singenden Seeelefanten aus den "Urmel"-Folgen als Belkantisten erscheinen läßt. Victor Petitjean als Fulgencio bewegt sich mit Bassbariton in gefährliche Nähe. Johannes Föttinger mit gellendem Grotesktenor gibt als komische Figur des Freiers Fenisio immerhin passendes Profil. Mehr will ich einfach nicht schreiben, denn wer es nicht gehört hat, glaubt mir vielleicht nicht.

Israel Yinon gibt sich mit dem Orchester des Sorbischen National-Ensembles Bautzen viel Mühe, doch immer wieder kommt es zu Wacklern zwischen Bühne und Graben.

Bei aller Liebe zur Sache, mit solch einer künstlerischen Gesamtleistung wird Anton Urspruch und seinem Werk eher geschadet, als genutzt. Es sei wirklich die Frage nach der Selbstbeurteilung der Künstler gestellt, wenn sie auf die Bühne gehen. Doch aller Schrecken hat ein Ende.

Martin Freitag
Bilder Kulturhaus