Berlin: Smetana, Prokofjew, Tschaikowsky

Konzert am 30.6.2018

Bedřich Smetana
AUS BÖHMENS HAIN UND FLUR

Sergej Prokofjew
VIOLINKONZERT Nr.2 in g-Moll

Piotr Tschaikowsky
SINFONIE Nr. 5 in e-Moll

Man war gebannt vom Zauber der Dynamik, einer von innen nach außen und dann wieder von außen nach innen verlagerten dynamischen Hochspannung, mit welcher Tugan Sokhiev und das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin die drei Werke dieses Konzerts interpretierten. Den Abend eröffnete das Schlussstück aus Smetanas Tondichtung MEIN VATERLAND, AUS BÖHMENS HAIN UND FLUR. Allerdings war dies alles andere als ein oberflächlich-genüsslicher und gefälliger Spaziergang durch eine liebliche Landschaft. Sokhiev ließ die auf horizontalen Wellenbewegungen und vertikalen, schroffen Akkorden basierende Eröffnung mit dem relativ breit gewählten Tempo mit scharfer Vehemenz spielen. Ungemein klar herausgearbeitet war dann die kunstvolle Fuge (das Säuseln des Windes), welche die Streicher des DSO mit konzentrierter Präzision intonierten. Durch das Ausloten der dynamischen Möglichkeiten erreichte Sokhiev eine ungeheure Spannung, ließ den von ferne fordernd hereinschallenden Jubel immer wieder abrupt zusammenbrechen, verwehrte ihm lange Zeit den Durchbruch, fügte harte Schnitte ein. Geradezu brachial hervorbrechende Tutti kontrastierten mit Tanzrhythmen, um sich endlich in hymnischer Größe zu finden. Ganz ähnlich verfuhr Tschaikowsky im Finale seiner fünften Sinfonie. Fulminante, vorwärtsdrängende Wellen verursachen einen sich überschlagenden Sog, reißen den Zuhörer in einen Strudel – und doch kommt es lange nicht zur befreienden Erlösung, immer neue Wellen türmen sich auf, wollen brechen, schaffen es nicht. Man saß tatsächlich vor lauter Anspannung auf der Sitzkante, lauschte den dynamischen Klüften, welche von Sokhiev und dem herausragend spielenden DSO durchschritten wurden. Nachdem im ersten Satz dieser Sinfonie das Schicksalsmotiv in seiner Unerbittlichkeit herausgearbeitet worden war, grüblerisch Tiefen und kantablere Passagen sich voneinander absetzten, durch stimmige rallentandi, subtile Einwürfe der exzellent gespielten Flöte und empört knurrende Kontrabässe Spannung aufgebaut wurde, mündete dieser Satz mit Schwung in seinen Schlussteil. Im stimmungsvoll-elegischen Andante konnte man die exzellente Intonation des Solohorns genießen, sich an den Diskursen der Holzbläser erfreuen, von einer Kulmination mitgerissen werden, welch an Intensität kaum zu überbieten war. Mit dem traumhaft schön und intensiv gestalteten Verklingen im pianissimo endete dieses Cantabile. Durch die von Sokhiev erreichte Transparenz des Klangs wurden im dritten Satz, dem Walzer, vielerlei Farben aufgedeckt. Beinahe ad attaca mündete er danach ins erwähnte Finale. Durch die Interpretation von Sokhiev erreichte Tschaikowskys fünfte Sinfonie eine schon beinahe brucknersche Größe, jedenfalls eine Relevanz, die einen alle Vorurteile gegenüber diesem Komponisten vergessen ließ.

Den Mittelteil des Abends bildete Prokofjews zweites Violinkonzert, interpretiert von der lettischen Stargeigerin Baiba Skride. Sie machte die enormen technischen Schwierigkeiten und Anforderungen, welche Prokofjew der Solistin auferlegte, vergessen. Ihre Tongebung blieb stets einnehmend warm, der volksliedhafte Ton des ersten Themas, welches die Sologeige ohne Orchesterbegleitung vorstellte, war von einer bewegenden Natürlichkeit und Gesanglichkeit geprägt, das Zusammenspiel mit dem Orchester und seinen expressiven Farben, wurde zu einem faszinierenden Erlebnis. Der zweite Satz (Andante assai) war geprägt von zarter Innigkeit; Baiba Skride legte den Klang ihrer Stradivari mit einer ätherischen Schwerelosigkeit auf den Pizzicati-Teppich der Streicher, umspielte später das von den ersten Violinen aufgenommene Hauptthema mit zarten Fiorituren in den höchsten Lagen. Wunderbar zu diesem ruhig und konzentriert dahinfließenden zweiten Satz kontrastierten die spanisch inspirierten Rhythmen des Schlusssatzes, dessen leicht stampfender Duktus nie ordinär oder plump wirkte und dem Baiba Skride mit den kunstvoll und technisch perfekt ausgeführten, schwierigen Doppelgriffen den leicht herben Charakter verlieh. Die ätherische Reinheit, mit der sie die Zugabe interpretierte, den subtilen Wechsel in der Dynamik von Melodiestimme und Begleitfiguren herausschälte, war von stupender Finesse. Danach lag ihr das Publikum erst recht zu Füssen.