Berlin: Bundeswettbewerb Gesang

OPER OPERETTE KONZERT – 43. HAUPTWETTBEWERB

Hoffnungsvoller und zu Hoffnungen berechtigender Nachwuchs

Mittlerweile bereits den „43. Bundeswettbewerb Gesang Berlin“, der alle zwei Jahre für die Fächer Oper, Operette und Konzert ausgetragen wird, gab es mit einem Concorso für die ganz jungen Sänger bis zum Alter von 22 Jahren, dessen Abschlusskonzert von der Staatsoper im Foyer des Schiller-Theaters bereits im November ausgetragen wurde, und mit dem Hauptwettbewerb in der zweiten Novemberhälfte samt dem Final-Konzert mit dem Küren der Preisträger unter den zehn Finalisten am 1.12. im großen Saal der Deutschen Oper Berlin.

Rund 240 Kandidaten hatten sich zu den Vorrunden in verschiedenen Städten der jeweiligen Jury gestellt. Bis in die Spitze der letzten Zehn waren außer Sopranen und Mezzosopranen in ungefähr gleicher Anzahl zwei Baritone gelangt, jedoch weder ein Tenor noch ein Bass vorgedrungen. Letzteres Stimmfach gab es allerdings mit der Uraufführung eines Liederzyklus von Paul Leonard Schäffer, Jahrgang 1987, auf Gedichte von Stefan Heym mit dem Titel „Fünf Landschaften“, einer Auftragskomposition des Bundeswettbewerbs, zu hören. Ingo Witzke, am Flügel begleitet von Alevtina Sagitullina, hatte die markanten Stimmmittel für die expressionistischen Inhalte, das kraftvolle Zupacken für „Die Stadt“ wie auch die weichen Töne für „Traum“ oder die präzisen Staccati für „Die Irren“. Dem Lied sollte man, ebenfalls außer Konkurrenz, nur noch einmal am Schluss begegnen, was eine absolute Ausnahme im Vergleich zu den bisherigen Wettbewerben darstellt, in denen Lied und Oratorium eine bedeutende Rolle gespielt hatten.

Moderiert wurde das Konzert von Daniel Hope, der zum letzten Beitrag sogar zu seinem Instrument griff und aus der letzten Reihe der Ersten Geigen mitwirkte. Zuvor hatte er in einer so warmherzigen wie humorvollen und damit ungemein sympathischen Ansage das Publikum belustigen und informieren wie den Sängern etwas von ihrem Lampenfieber nehmen können. Mit der Anekdote von Rossini, der Wagner von auf den Kopf stehenden Noten spielte und auf den Hinweis seines Schülers, er müsse das Blatt umdrehen, meinte: „Andersherum ist es genau so schrecklich“, bis zu den Ausführungen über die Verwandtschaft zwischen Geige und Stimme, die eigentlich die Geige im Körper ist, sorgte er für anhaltende gute Laune und Entspanntheit. Noch hilfreicher für die Sänger war wohl nur Dirigent Axel Kober mit sehr viel Aufmerksamkeit für ihre Bedürfnisse, er atmete mit ihnen und hielt das Orchester zu einfühlsamem Spiel an.

Gleich der erste Beitrag mit Gounods erster Arie der Juliette, erwies sich als preiswürdig. Athanasia Zöhre r gewann den Gemeinsamen Preis von DOB, KO und Staatsoper , zwar hörbar aufgeregt, aber doch mit guter französischer Diktion, weicher, biegsamer Sopranstimme, jugendlicher Ausstrahlung und vielleicht etwas zu viel Nachdruck singend, was sicherlich der besonderen Situation geschuldet war. Gleich zwei Preise, den der Walter und Charlotte Hamel Stiftung und den der Kurt-und –Felicitas-Vössing-Stiftung errang Eva Bauchmüller, die mit klarer, reiner Mädchenstimme sehr charmant und nicht zu soubrettenneckisch Ännchens „Kommt ein schlanker Bursch gegangen“ vorgetragen hatte. Den Preis der Walter Kaminsky-Stiftung erhielt Carolin Neukamm, die mit einem Mezzosopran aus einem Guss, auch in der Höhe farbig, und mit einer reifen Interpretation von Leonoras „O mio Fernando“ gefallen hatte. Der Bundesverband Deutscher Gesangspädagogen stellt ebenfalls regelmäßig einen Preis zur Verfügung, den Sophia Körber mit einer nicht nur Knospe bleibenden Rosenarie, gesungen von einer kapriziös wirkenden, fein timbrierten Sopranstimme, die auch eine hübsche Variation bewältigte, errang. Bereits im Vorfeld war Sylvia Rena Ziegler der Preis des Deutschen Bühnenvereins 2014 für die beste Interpretation von Reimanns „Eingedunkelt“ zugesprochen worden. Aus diesem Zyklus sang sie vor der Preisverleihung mit großer Musikalität zwei Lieder, konnte aber auch den 3. Preis der Klassenlotterie entgegennehmen, nachdem sie mit „Una voce poco fa“ viel Bühnenpräsenz, viel Schalkhaftigkeit in der Stimme und viel Variationsbereitschaft nach dem „ma“ gezeigt hatte. Den zweiten Preis verdiente sich Henriette Göde mit sattem, fülligem Material für Dalilas Verführugsarie, die nicht nur im Forte, sondern auch in der gut beherrschten mezza voce viel dunklen Glanz hatte. Den Ersten Preis gewann Sebastian Wartig mit der Arie des Valentin aus Gounods „Faust“, in der er farbiges Stimmmaterial, perfektes Legato, kluge Phrasierung und die Fähigkeit zur vokalen Attacke bewies.

Auch ein Finalplatz ohne Preisgewinn hat seinen Wert, und so freuten sich Kirsten Labonte über eine gelungene Blondchen-Arie voller Charme, Bernhard Hansky über einen wohlwollend aufgenommen Almaviva ( „Hai già vinta la causa“) und Raffaella Lintl über ein ehrgeiziges „Come scoglio“, bei dem die Tiefe noch ausbaufähig , der Sopran aber ein Versprechen für das deutsche Fach ist. Nicht vergessen werden darf die Auszeichnung des abwesenden Avinoam Shalev mit dem Preis als bester Klavierbegleiter.

Dem Programmheft ist ein Verzeichnis der Engagements der Preisträger von 2012 beigefügt, das beweist, wie sehr sich eine Teilnahme, vor allem aber natürlich ein Sieg beim Wettbewerb auszahlt.

2.12.2014 Ingrid Wanja
Foto: Simone Semmler