Berlin: „Elias“, Felix Mendelssohn-Bartholdy

Rundfunkchor und Rundfunksinfonieorchester Berlin; Marek Janowski

Vorzüglich waren die Sänger, überwältigend das Orchester, aber der absolute Star, auch nach Ansicht des begeisterten Publikums, war an diesem Abend mit Mendelssohns Oratorium „Elias“ in der Berliner Philharmonie der Rundfunkchor Berlin. In seinem auf Bach und Händel, ja bis auf Palestrina zurückweisenden und Brahms erahnenden Werk, das dem damaligen Publikum eine durchaus ungewohnte, als opernhaft angesehene Dramatik zumutete, schöpft er in Riesenbesetzung alle Gemütsbewegungen zwischen Anbetung, Verzweiflung, Zorn und Mordbereitschaft aus. Textverständlichkeit, soweit überhaupt möglich, ein stufenloses An- und Abschwellen des Klangs, große Präzision im Presto von „Der Fluch ist über uns gekommen“ und eine weit ausholende Feierlichkeit des Klangs im Schluss diese Chorsatzes gelangen ebenso wie der Stumpfsinn der vielfachen Anrufung des Baal. In großen, weitausladenden Bögen wurden die Glücksverheißung „Wer bis an das Ende beharrt, der wird selig“ zu einem machtvollen Glaubensbekenntnis, das dreifache „aber der Herr war nicht“ in ausdrucksvoller Steigerung gesungen. Und nicht erst mit dem expressiven „Elias brach hervor wie ein Feuer“ wurde dem letzten Hörer klar, dass man es hier nicht mit einem sanften Werk der Romantik zu tun hat. Michael Gläser konnte den Dank des Publikums für die Einstudierung des Chors entgegennehmen.

Pech zu haben glaubte man zunächst mit den Solisten, denn ausgerechnet der Sänger des Elias, Markus Brück, hatte kurzfristig wegen Erkrankung absagen müssen. An seiner Stelle kam von der Wiener Staatsoper Adrian Eröd und bereitete dem Publikum eine überaus angenehme Überraschung. Bei aller lyrischen Anlage, er singt schließlich noch Guglielmo, hat der Bariton sehr viel Metall, ist dabei flexibel, wird elegant geführt, ist höhensicher und souverän in den Intervallsprüngen, so in seinem letzten Solo. Seine Aufforderung „Rufet lauter!“ ließ den Hohn gegenüber den Baal-Anhängern hörbar werden. Einer, wenn nicht der Höhepunkt des Abends war sein „Es ist genug! So nimm denn Herr meine Seele“ als wunderbares Zwiegespräch mit den Celli, deren Farbe die Stimme angenommen hatte. Der Charakter des Elias, wie ihn Mendelssohn schilderte, war voll und ganz in dieser Stimme auszumachen. Sehr unterschiedlich waren die beiden Engel nicht nur durch die Zugehörigkeit zu zwei unterschiedlichen Stimmfächern, Sopran und Mezzosopran, sondern auch indem die hohe Stimme eher ins Konzertfach wies, die tiefere zur Oper neigte. Als Witwe, deren Sohn von Elias wieder zum Leben erweckt wird, sang Sophie Klußmann mit ausgesprochen zarter Stimme, ihr Engel klang beherzter, von ätherischer, überirdischer Schönheit war ihr Sopransolo. Was Mendelssohn, der auf Jenny Lind für die Sopranpartie gehofft hatte, an seiner Uraufführungssängerin in Birmingham auszusetzen hatte, traf auf sie jedenfalls nicht zu. Nie die Opernsängerin verleugnete Clémentine Margaine, deren Engel wahrlich nicht geschlechtslos war, sehr erotisch klang, was dann zur Königin besonders gut, aber auch zum Altsolo perfekt passte und zu der Autorität, die der Engel in „Elias, mache dich auf“ vorweisen muss. Leider nicht allzu viel zu singen hat der Tenor in diesem Oratorium, in dem es keinen Erzähler gibt, aber Daniel Behle wusste trotzdem auf die Qualitäten seiner Stimme und seines Gesangs aufmerksam zu machen. Die leichte Emission der Stimme, der durch alle Register hindurch tenorale Klang, das schöne Timbre und das stilsichere Singen bereiteten eine kurze, aber intensive Freude. Nur zweimal kurz in den Quartetten durfte

Andreas Hörl seinen Bass hören lassen.

Daniel Behle
Foto: Marco Borggreve

Der spiritus rector des bedeutenden Abends war natürlich Marek Janowski mit seinem Rundfunk Sinfonieorchester Berlin, das er zu einem der hervorragendsten Klangkörper der Hauptstadt erzogen hat und das ihm in allen seinen Intentionen, den Charakter des Werks als großes dramatisches, alttestamentarisches Gemälde mit kräftigen Farben auszumalen, willig folgte. Wieder einmal hatten Marek Janowski und sein Orchester für einen der ganz großen Abende in Berlin gesorgt.

Die Fotos wurden von der Pressestelle des RSB zur Verfügung gestellt.

25.11.2014 Ingrid Wanja