Berlin: „Roberto Devereux“

Selten aufgeführt

Gute achtzig Jahre dürfte Fiesco als Großvater der immerhin bereits 25jährigen Maria Boccanegra auf dem gekrümmten Buckel haben. Würde man es deswegen tolerieren, ihn von einem altersschütteren Bass gesungen zu hören? Il vecchio Foscari erfreut sich trotz aller Klapprigkeit in seinem großen Schlussmonolog zum Glück des Hörers noch einer potenten Baritonstimme. Auch Königin Elisabeth I. ist in Donizettis dritter Tudor-Oper „Roberto Devereux“ nicht mehr jung, dazu noch eine nicht gerade umgängliche Dame und großen Enttäuschungen ausgesetzt. Edita Gruberová versucht aus der unüberhörbaren Not der eingeschränkten stimmlichen Mittel die Tugend expressiven, nicht mehr dem Belcanto-Ideal verpflichteten Ausdrucksgesangs zu machen. Das Publikum in der Philharmonie, wo die DOB einen Teil ihrer „Auswärtssaison“ stattfinden lässt, honoriert das mit Ovationen. Hoch anzurechnen ist der Künstlerin, dass sie um sich und ihre Königin eine hochrangige Sängerriege versammelt hat.

Sehr schön auf Linie singt der Roberto von Celso Albelo, hat ein höchst angenehmes Timbre voller dolcezza und alle Qualitäten eines tenore di grazia. Seine große Arie hat er erst in der vorletzten Szene des Werks und prunkt hier mit einer tollen Fermate auf dem Spitzenton der schönen Kadenz, er scheint ein würdiger Nachfolger für den früheren Tenorbegleiter der Diva, José Bros, zu sein. Zwar wäre etwas mehr Aplomb in den vokalen Äußerungen wünschenswert, aber die drei Tenöre in den drei Königinnen-Opern des Komponisten sind halt nur leidende Unglücksraben. Mit dunkler Stimmfarbe, guter Diktion und raffinierten Schwelltönen ist der Bariton Davide Luciano ein akustisch ansehnlicher Nottimgham, federnd in der Cabaletta und akribisch die kleinen Notenwerte beachtend, dazu prachtvoll in der Anklage „Scellerata“. Mit rundem, angenehm getöntem Mezzo, der auch für Hosenrollen geeignet erscheint, singt Veronica Simeoni eine expressive Sara ohne Einbußen, was die Schönheit des Gesangs angeht. Auch die Höhen bewahren die Mezzofarbe, die Phrasierung ist angenehm großzügig, die Stimme bleibt selbst in dramatischeren Passagen geschmeidig. Die kleineren Partien sind aus dem Ensemble der DOB besetzt mit einem mit Bassgewalt auftrumpfenden Marko Mimica als Gualtiero, Gideon Poppe mit präsentem Tenor als Cecil und als Stichwortgeber Carlton Ford als Page und Stephen Bronk als Getreuer Nottinghams.

In Türkis und funkelndem Silber, mit Schleppe und viel Gerafftem blieb Edita Gruberová der Optik einer Diva nichts schuldig, wovon das schlichte Schwarz der Sara sich erheblich unterschied. Sehr voneinander ab wichen auch die Art und Weise, in der mit der Musik Donizettis umgegangen wurde, was besonders in den Duetten auffiel. Übten sich die jungen Sänger in harmonischem Schöngesang, muss der Sopran nun darauf setzen, vokale Defizite, so eine inexistente Mittellage, durch eine besondere Expressivität auszugleichen. Durch ein überdynamisch erscheinendes Singen wird die Hysterie der Figur betont, Manierismen wie ein verhuschter Plauderton machen sie interessant und lassen über nicht angebrachten Sprechgeang hinweg hören, äußerst schneidende, wenn auch sehr präsente Extremhöhen charakterisieren die unglückliche Herrscherin. Im Piano spricht die Stimme nicht immer an, es gibt sie aber stellenweise noch in berückender Form, die Intervallsprünge, besonders nach unten, erweisen sich als riskant, die Stimme klingt insgesamt reichlich fahl. Eindringlich gelingt das „Parla, parla“, „non regno, non vivo“ allerdings sollte eigentlich nicht gesprochen werden. Am ehesten freundet man sich ab „Uscite“ mit dem Klang der Stimme an. Der Gesamtleistung der auch um schauspielerischen Einsatz bemühten Sängerin wird man auch im Rückblick auf ihre lange, ruhmreiche Karriere Hochachtung nicht versagen.

Recht forsch ging Pietro Rizzo mit dem Orchester der Deutschen Oper an die Sinfonia heran, erwies sich als zuverlässiger Begleiter und zauberte ein schönes Vorspiel zur Kerker-Szene. Der Chor des Hauses ist für seine Stilsicherheit in jedem Repertoire zu bewundern. William Spaulding ist der Garant dafür.

Am 11.11. gibt es eine Wiederholung der konzertanten Aufführung. La Gruberová ist in dieser Saison noch an der Staatsoper in „La Straniera“ zu erleben.

6.11.2014 Ingrid Wanja
Fotos: Bettina Stöss