Berlin: Meisterklasse Christa Ludwig

Hoffnungsvoller und zu schönsten Hoffnungen berechtigender Nachwuchs

Mögen auch großer Saal und Hauptbühne bereits den Arbeitern zu allerlei Reparaturen und Erneuerungen überantwortet sein, das künstlerische Leben hat damit in der Deutschen Oper noch lange nicht aufgehört. Man hat schließlich die Werkstattbühne in der früheren Tischlerei, die Philharmonie, die Foyers, sogar die Straße wird mit "Das große Buh" bespielt, und im September soll es auf das Parkdeck des Hauses gehen.

In der vergangenen Woche war Christa Ludwig für drei Tage zu einem Meisterkurs mit jungen Ensemblemitgliedern und Stipendiaten im Haus, am letzten Tag offen für Publikum, und am 23.6. wurde das Unternehmen mit einem Konzert im Parkettfoyer abgeschlossen und gekrönt. Zu Beginn zeigte sich die mit Ovationen vom zahlreichen Publikum empfangene Kammersägerin erfreut über die "wunderbaren Stimmen" und das hohe Niveau ihres Könnens, betonte, wieviel Spaß ihr die Arbeit mit ihnen gemacht hatte, und moderierte den gesamten Abend mit dem ihr eigenen Humor. Zum Schluss fehlte nicht der Hinweis darauf, dass es für junge Sänger nichts Besseres für ihre weitere Laufbahn gebe als die Arbeit in einem sie fördernden und behütenden Ensemble. Etwas erstaunt zeigte sich die Ludwig darüber, dass unter den fünf Mitwirkenden kein einziger deutscher Sänger sei, wenn auch eine immerhin mit Deutsch als Muttersprache begabte Österreicherin.

Sogar die begehrte Spezies Tenor war unter den fünf Teilnehmenden mit

Alvaro Zambrano aus Chile. In den Jahren 2009 bis 2012 studierte er nach einem Abschluss in seinem Heimatland in Freiburg vor allem Liedgesang, sang hier bei einem Opernprojekt den Nemorino und unlängst in Zaragoza den Tamino. Auch an diesem Abend widmete er sich außer dem Duett "Lippen schweigen" aus "Die lustige Witwe" dem Liedgesang mit einigen Stücken aus Schumanns "Dichterliebe". Das fand di besondere Anerkennung nicht nur des Publikums, sondern auch Christa Ludwigs, besonders wenn ein Ausländer sich an das für ihn heikle Unternehmen wagt. Alvaro Zambrano sang akzentfrei, nur durch das südländische Timbre leicht , aber reizvoll verfremdend, mit farbiger Mittellage und mit fein schwebendem Klang für "Ich hab‘ im Traum geweinet".

In Wien erhielt die Österreicherin

Christina Sidak ihre Ausbildung und schloss ihr Studium an der Universität für Musik und darstellende Kunst mit Auszeichnung ab. Sie sang bereits an der Volksoper und der Neuen Oper, und zu ihrem Repertoire gehören Händels Ariodante, Orestes aus "Die schöne Helena" und Cherubino. Mit dessen "Voi che sapete" konnte sie auch besonders gefallen mit einem Timbre voll erotischen Flairs und mit einem unübersehbaren darstellerischen Potential sowie der für diesen Beruf notwendigen Extrovertiertheit. Beim Auftrittslied des Prinzen Orlofsky gefiel die beherzte Attacke des Tons. Auch sie bot einige Lieder und zwar von Mahler, die man zwar schon von Stimmen mit runderem Klang gehört hat wie die der Mentorin, aber der bewegliche Mezzo, der sich äußernde Humor und das lustige Rollenspiel in "Lob des hohen Verstands" konnten durchaus erfreuen.

Mit dem Bass Marko Mimica hatte der Abend noch einen weiteren Höhepunkt zu bieten. Nicht in der Partie des Papageno, über die die Stimme schon hinausgewachsen und zu dunkel gefärbt ist, sondern mit den für seine 27 Jahre unglaublich reif und ausdrucksstark gesungenen Hugo-Wolf-Liedern auf Texte von Michelangelo. Ohne jeden Akzent, äußerst textverständlich und vor allem mit der tiefschwarzen Stimme in jeder Silbe verratend, dass die schwierigen Stücke zutiefst in ihrem Gehalt erfasst waren, rief er nicht nur die ersten Bravo-Rufe des Publikums, sondern auch die Bewunderung Christa Ludwigs hervor. Marko Mimica stammt aus Kroatien, war Finalist beim renommierten BBC-Wettbewerb in Cardiff und singt an der DOB Partien wie Colline, Ferrando, Masetto, Raimondo oder Figaro und Basilio.

In einer winzigen Rolle hatte man gerade Elbenita Kajtazi aus dem Kosovo im "Werther" gehört. Dass sie mehr kann, bewies sie an diesem Abend mit der Bewältigung der schwierigen g-moll-Arie der Pamina, zu der das Timbre weniger passte als später zur Arie der Magda aus Puccinis "La Rondine". Es ist von feiner Melancholie, und die Stimme ist zu einem schwerelos erscheinenden Schweben und Spinnen zarter Tongewebe fähig wie beim letzten "im Tode sein" der Pamina oder dem "sogno di Doretta". Der Sopran hat in seiner Heimat studiert und hier bereits größere Partien gesungen, so bei der Einweihung der Mutter-Teresa-Kathedrale oder in Mozarts Requiem. Elbenita Kajtazi ist u.a. Preisträgerin des Riccardo-Zandonai-Wettbewerbs und studiert augenblicklich mit Ermonela Jaho und Caroline Metz.

Bereits bedeutende Rollen auch an der Deutschen Oper hat

Siobhan Stagg, aus Ausstralien stammend, gesungen, so Pamina, 1.Dame, Sophie aus "Werther", Waldvogel – und die Kritiken waren vorzüglich. Sie hat bereits eine Fülle von Preisen gewonnen, sei es in Australien oder Europa und konnte an diesem Abend eine besonders reife Leistung zeigen. "Bei Männern, welche Liebe fühlen" überzeugte der empfindsame lyrische Sopran voll schöner Klarheit, als Händels Cleopatra zeigte sich die blonde, geschmeidige Stimme ausgewogen zwischen instrumentaler Führung und gebotener Emotion, die Geläufigkeit in den Koloraturen und eine wunderschön gesungene Fermate konnten vollends überzeugen. Als Charpentiers Louise wusste der Sopran weitere Trümpfe auszuspielen mit einem deliziösen Vortrag, souveränem Spiel mit den Tönen und einem schönen Fluss der Stimme. Das Piano ist ausgesprochen farbig und da An- und Abschwellen des letzten Tons zeugte von einer ausgereiften Technik.

Nicht vergessen werden soll der Mann am Klavier, denn John Dawsons einfühlsame Begleitung gab den jungen Sängern Sicherheit und noch mehr Selbstvertrauen, von dem sie zu ihrem Glück bereits eine Menge besitzen.

24.6.2014, Ingrid Wanja
Fotos Deutsche Oper Berlin