Berlin: „Beatrice di Tenda“

Pures Opernglück im Großen Saal des Konzerthauses am Gendarmenmarkt

Nicht nur räumlich in der Berliner Hochkultur angekommen ist die „berliner operngruppe“ mit ihrer halbszenischen Aufführung von Bellinis „Beatrice di Tenda“ im Großen Saal des Konzerthauses am Gendarmenmarkt. Aus dem Radialsystem am Spreeufer in die Berliner Mitte, von hausgemachter Kartoffelsuppe zu Sekt in der Pause, von hartem Holz zu feinem, stoffbezogenen Stuhlwerk führte der Weg, vor allem aber von sympathischem Liebhabertheater zu immer noch sympathischem, aber mittlerweile hochprofessionellem musikalischem Arbeiten, das sich mit jeder Opernbühne messen kann, der künstlerische Weg. Es begann 2007 mit der Gründung durch den Dirigenten Felix Krieger nach dem Vorbild der Chesea Opera Group, mit den jährlich im Mai stattfindenden Aufführungen seit 2010 mit „Oberto“, „Maria di Rohan“,“Attila“ und wird hoffentlich noch viele Jahre lang dem Publikum Opern vorstellen, die zu sehen und hören es selten Gelegenheit hat. 2012 wurde das Unternehmen für das Projekt „Deutschland-Land der Ideen“ ausgewählt. Die gestrige Aufführung wurde unter anderen auch von den privaten Spendern Martin und Christiane Ernst und Nicolaus und Karin von Oppenheim unterstützt- so etwas muß auch einmal erwähnt werden.

Den größten Entwicklungssprung hat wohl das Orchester im Verlauf des letzten Jahres vollzogen. Da wird nicht nur sicher begleitet, was an sich eine heikle Sache ist, sondern bei der Sinfonia mit einem schönen Schwellton aus dem Piano heraus begonnen, der Fluß der „unendlichen Melodie“ großzügig durchgehalten, werden zwei spannende Finali aufgebaut. Felix Krieger hat großartige Orchestererziehung betrieben, die Zunahme an Quantität und Qualität der Musiker ist beachtlich. Auch der Chor (Piotr Kupka) zeigt sich nach etwas zögerlichem Beginn bestens mit der Musiksprache Bellinis vertraut, .hat keine Probleme mit den Prestissimi und ist rhythmisch sicher.

„Halbszenisch“ nennt sich die Aufführung. Isabel Ostermann benutzt die endlos lange Stola der Protagonistin als Requisit, das der Fesselung der Beatrice genauso dient, wie sie Zeichen der Bejahung ihres Schicksals ist, wenn sie sich ergeben in das Schwarz des Stoffes hüllt.

Immer schon erlebte man positive Überraschungen bei der Auswahl der Solisten. Diesmal sind drei überragende Sänger Auslöser für viel Jubel beim Publikum. Die junge Rumänin Valentina Farcas ist sehr noch sehr mädchenhaft für die vom Schicksal heimgesuchte Beatrice, beginnt mit kristallklarem Sopran, der im Verlauf der traurigen Handlung eine immer mehr Melancholie vermittelnde Färbung annimmt. Sie weiß feine Klanggirlanden zu spinnen, aus den Pianissimi schöne Crescendi zu entwickeln, meistert virtuos Intervallsprünge und rasante Cabaletten, Die Gerichtsszene ist noch eine Spur zu dramatisch für die junge Stimme, die in der Schlussarie umso großartiger zu triumphieren weiß. „Alla morte“ wird nicht zum Opfergang, sondern zum Triumphzug.

Optisch eigentlich eine Karikatur von einem italienischen Tenor ist Giorgio Caruso als Orombello, aber was er an Stimmmaterial vorzuweisen hat, ist mehr als beachtlich. Ein echter „O-sole-mio_Tenor“ mit nicht zu hellem, wunderbar italienischem Timbre und sicherer Höhe. Wenn man ihm die gestischen und mimischen Unarten abgewöhnen kann, berechtigt er zu den schönsten Hoffnungen. Süffiges Baritonmaterial besitzt Giuseppe Altomare für den bösen, wenn auch partiell nachdenklichen Filippo. Dazu kommt eine beachtliche Bühnenpräsenz, kommt das Wissen um großzügige Phrasierung und feines Legato. Auch er ist ein Volltreffer in dieser Aufführung. Mit etwas viel Vibrato beginnt Christine Knorren ( sie war bereits Gondi vor zwei Jahren) ihre Agnese, weiß dann aber ihre Stimme sehr schön zu weichem, schmeichelndem, feinfarbigem Gesang zu führen. Wohl ihretwegen war Francesco Ellero D’Artegna ( Attila vor einem Jahr und Betreuer der „Maria di Rohan“) im Publikum. Máté Gál (Anichino) und Raúl Alonso (Rizzardo) ergänzen das Ensemble.

Man freut sich schon jetzt auf die nächste Aufführung der „ berliner operngruppe“ und ist gespannt auf selten gespielte Opern und tolle Interpreten!

Ingrid Wanja