Essen: First „Night of the Proms“ – Very British!

Kann man einen schöneren, einen überzeugenderen – ja einen geradezu herzergreifenderen Saisonabschluß der Konzert-Saison 2016/17 finden, als mit solch einem in jeder Hinsicht gelungenem fröhlichem Konzertabend? Ich glaube nicht. Und wer gestern in der Philharmonie bei diesem prächtigen Spektakel dabei war, wird es nicht vergessen und wahrscheinlich sofort seine Karten für das nächste Jahr bestellen. Und alle machten mit…

Was für ein tolles Publikum! Da man sich nicht so ganz sicher war, ob sich "seriöse" Konzertbesucher wirklich trauen, mit Fahnen, Tröten, Ratschen, Bannern und Wimpel zu kommen, hatte sicherheitshalber das Einlasspersonal noch hunderte von Union-Jack-Fähnchen als Zuschauerpräsent parat. Eine schöne Geste, aber fast überflüssig, denn – wer hätte das gedacht?! – die Mehrzahl der Besucher wusste worum es ging und hatte nicht nur den offiziell freigegeben Dress-Code (Motto: "je schräger, desto besser") vorbildlich wie der Rezensent erfüllt, sondern war perfekt – nicht nur fahnenmässig ausstaffiert – erschienen.

Und als wenn der Wettergott ein Einsehen gehabt hätte (leider gab es ja keine Opern-Air-Übertragung wie in England, obwohl das herrliche Wiesengelände zwischen Aalto-Oper und Philharmonie geradezu dafür prädestiniert wäre 😉 kam um 19 h die Sonne heraus. Der englische Nieselregen löste sich wundersam plötzlich auf. Kann es ein besseres Omen geben?

Und so startete ESSENS FIRST NIGHT OF THE PROMS sowohl wetter- als auch stimmungsmäßig vortrefflich. Vorbildlich war die Planung, Drehbuch und Dramaturgie der Veranstaltung, wobei man sich (GsD !) ziemlich ans Londoner Original hielt und keinen deutschen Karnevalsklamauk daraus gemacht hatte.

Im seriösen ersten Teil zeigten sich Chor und Musiker noch im klassischen Outfit. Man gab – versteht sich – natürlich die bekannten Englischen Klassiker "Halleluja" (Händel), "Christmas Dance & Greensleaves" (Vaughan Williams) sowie die Madrigale "April is my Mistress Face" (Morley) und "The Shower" (Elgar). Einen Vorgeschmack auf den zweiten Teil des Abend boten die „Vier Cellisten“ der Essener Philharmoniker – sihe Bild unten – mit "Yesterday" (McCartney); später ließen sie den Saal mit "Smoke on the water (Deep Purple) im Lederoutfit regelrecht rocken…

Den Abend quasi moderierend gaben sich als geschwätzig klassisch-englische "Aunties" die beiden Aalto-Künstlerinnen Christina Clark (Miss Betterknower) und Marie-Helen Joel (Fräulein Vorlaut) im köstlichen Zwiegespräch mit Publikum und Musikern. Das war nicht nur very british, sondern auch beglückend unterhaltsam, ohne nervig oder aufgesetzt zu wirken. Die beiden Künstlerinnen müssen für diese Kultveranstaltung, die sicherlich in Essen ab sofort zur Philharmonie-Tradition werden wird, sofort mindestens einen 10-Jahres-Vertrag bekommen! Trefflicher und überzeugender kann man kaum durch einen solchen Abend führen. Brava, bravi! Dass dabei auch noch Interessantes über Tee, die Williams, die Historie der Proms und viel durchaus Lehrreiches über Great Britain zu erfahren war, spricht für ein erstklassiges Moderations-Drehbuch; wer auch immer dieses geschrieben hat, erhält dafür unseren OPERNFREUND STERN.

Der zweite Teil des Abends war wurde dann für das Publikum, das sich anfangs noch etwas schwer tat mit dem Viertelkniebeugen im Zwei-Sekunden-Rhythmus, zum actionreichen Erlebnis. Kam der Chor der 2000 zu "God Save the Queen" noch etwas zurückhaltend, kochte bei "Land of Hope and Glory" stimmungsmäßig der Saal über.

Da man dankenswerter weise hier die Übertitelungsanlage mitlaufen ließ, blieb kaum ein Mund geschlossen und kein Auge trocken. Das grandiose englische Gänsehaut-Feeling im Fahnenmeer und Gesang eines gigantischen Zuschauer-Kollektivs ließ den Chor von Mahlers Achter (Sinfonie der Tausend) als geradezu kammermusikalisches Scharmützel erscheinen. Und es war natürlich eine Selbstverständlichkeit, dass "Pomp and Circumstance" von Elgar, der ja nicht nur bei den Engländern als die wahre Nationalhymne gilt, in voller siebenminütiger Länge als Zugabe, wie es auch in der Albert-Hall in London Tradition ist, wiederholt wurde.

Was für ein schöner und eindrucksvoller Abend! Was für ein überwältigendes Erlebnis! Wer hätte gedacht, dass so etwas in Deutschland möglich ist. Die Essener Organisatoren haben Großes geleistet und die tragenden Chöre (am Ende sogar ergänzt von Schülerinnen und Schülern der S-Klasse der Folkwang Musikschule) zusammen mit den exzellenten Essener Musikern – Bild unten ! –

unter der vorzüglichen Gesamtleitung vom GMD Yannis Pouspourikas, nicht zu vergessen Patrick Jaskolka (Chöre – Einstudierung & Leitung), machten diese hoffentlich nicht letzte ESSENS LAST NIGHT OF THE PROMS zu einem nachhaltigen Erlebnis für alle, wobei (auch wg. der gigantischen Kartennachfrage) zu überlegen wäre, diese aufwendige Veranstaltung im nächsten Jahr doch bitte mindestens einmal noch zu wiederholen.

God save the Queen 😉 & Schöne Konzertferien

wünscht Ihr

Peter Bilsing 2.7.2017

Bilder (c) DER OPERNFREUND

und besonderen Dank an Saad Hamza für die Profibilder