Essen: Orchestre Philharmonique Royal de Liège & Emmanuel Ceysson

Vorweihnachtlich Schönes & ein Magier an der Harfe

Engelbert Humperdinck
„Hänsel und Gretel“ (Auszüge) Ouvertüre, Hexenritt, Traum

Reinhold Moritzewitsch Glière
Konzert für Harfe und Orchester, op. 74

Felix Mendelssohn Bartholdy
Das Märchen von der schönen Melusine, op. 32

Pjotr I. Tschaikowski
Ballett-Suite „Der Nussknacker“, op. 71a

Eine ganz besonderes, auf diesem Qualitätsniveau höchst selten zu erlebendes, Konzert-Schmankerl gab es am Dienstag in der Philharmonie Essen: Reinhold Glieres "Konzert für Harfe und Orchester", gespielt vom aktuellen Superstar unter den Harfenisten Emmanuel Ceysson; auch "der Mann mit der Zauberharfe" genannt. Ich würde ihn eher den "Paganini der Harfe" taufen.

Ceysson wurde 1984 in Oulins, Frankreich, geboren; Studium am Conservatoire National Régional (CNR) in Lyon, dann am Pariser Conservatoire National Supérieur de Musique (CNSM) bei Isabelle Moretti – Abschluß "summa cum laude" und Erster Preis in Harmonielehre.

Seit 2005 ist er in der internationalen Musikszene wie der Wigmore Hall, der Salle Gaveau, der Carnegie Hall, dem Wiener Konzerthaus und der Berliner Philharmonie vertreten, wo er regelmäßig seine Auftritte im Recital, im Konzertrepertoire und in der Kammermusik gewinnt. 2006 Erster Solo-Harfenist beim Orchester der Pariser Oper, Auftritte unter anderem mit den Dirigenten Philippe Jordan, Valery Gergiev, Michel Plasson, George Prêtre….

Mannigfache internationale Auszeichnungen zieren seine bisherige Kariere: Goldmedaille und Sonderauftrittspreis beim Internationalen Harfenwettbewerb der USA (Bloomington) im Jahr 2004, dem 1. Preis und sechs Sonderpreisen beim New York Young Concert Artist Auditions 2006 und dem ersten Preis bei der renommierten ARD Wettbewerb in München im September 2009. (Video) Im Jahr 2010 wurde Emmanuel Ceysson in der Kategorie "Solo Instrumental Discovery" in den Victoires de la Musique Classique nominiert. Im November 2011 erhielt er einen "Prix d‘ Encouragement" von der Académie des Beaux-Arts de l’Institut de France.

Bemerkenswert ist seine Gastprofessor an der Royal Academy of Music in London von 2005 bis 2009 und seit 2011 an der Internationalen Sommerakademie in Nizza.

Besondere Aufmerksamkeit erhielt sein Programm “Zehn Monate Schule und Oper”, wo er sich bemüht, seinen Beruf und sein Instrument einem jungen Publikum aus sozial schwachem Milieu zu vermitteln. Ceysson unterrichtet unentgeltlich (!) zwei Wochen pro Jahr eine Masterclass in Kolumbien mit Unterstützung der Französischen Botschaft und der Victor Salvi Foundation. Im Oktober 2015 übernahm Ceysson zusätzlich die Position des Soloharfenisten an der Metropolitan Opera in New York.

Konzerte für Harfe und Orchester gibt es gerade aus dem 20. Jahrhundert ziemlich viele, doch leider setzt sich immer wieder das allbekannte Werk des stalinsystemkonformen Glière durch, dessen Zauber man sich allerdings tatsächlich kaum entziehen kann. Dem ersten in relativ modernen Regionen sich bewegenden Satz, folgen zwei traditionell sich eher an der russischen Volksmusik orientierte Teile. Es fängt toll an, aber endet in volkstümlich Althergebrachtem. Nichts desto Trotz ein Stück welches alle Dimensionen und Hoch-Schwierigkeiten eines der schwierigsten Orchesterinstrumente aufzeigt. Es lässt einen guten Harfenisten publikumsfreundlich ebenso brillieren, wie Tschaikowskys 1. Klavierkonzert den Pianisten.

Dabei kann man sich der ungewöhnlich extrovertierten Ausstrahlung des attraktiven Emmanuelle Ceysson, der schon fast wie ein spanischer Torero auftritt, kaum entziehen. Die schmachtenden Blicke, sowohl einiger Musikerinnen, als auch vieler Damen im Auditorium sprachen Bände. Er hat nicht nur die Ausstrahlung, sondern auch den Charme des aktuell, vor allem bei den Frauen, hochbeliebtesten Tenors Jonas Kaufmann. Und wenn sich äußere Attraktivität und Können dermaßen begnadet zusammen entfalten, dann ist das natürlich jeden Besuch allemal wert.

Als quasi Rahmenprogramm gab das, besonders für ein Opernorchester, beglückend hochqualitativ aufspielende Orchestre Philharmonique Royal de Liège ein vorweihnachtlich höchst passendes und stimmungsvolles Concerto Populare.

Konzertantes aus Deutschlands allüberall zur Weihnachtszeit in fast jedem Opernhaus zu hörendem Humperdinck "Händel und Gretel"; und aus dem ebenso bzw. ebendort anzusiedelnden "Nussknacker" von Tschaikowsky. Wobei man die Nußknacker-Suite meiner persönlichen Meinung nach – wenn man dann schon so wunderbar und traumhaft in Märchenstimmung versenkt wurde – unbedingt als Zugabestück mit dem Grand pas de deux (einem der schönsten Musikstücke, daß Tschaikowsky je geschrieben hat) hätte krönen müssen. Das wäre eben jenes – lassen Sie es mich mit Loriot sagen: "Zitronencreme-Bällchen auf dem Kosakenzipfel" – gewesen.

Ein schöner Abend im vorweihnachtlichen Essen. Ein musikalisch geschmückter konzertanter Tannenbaum von großem orchestralen Lichterglanz, den der hochsympathische österreichische Maestro Christian Arming blendend und gefühlvoll mit den Lüttichern ganz besonders formvollendet beleuchtete.

Peter Bilsing am 1.12.16

Bilder (c) / Pro Arte Konzerte / Jean-Christophe Husson

www.emmanuelceysson.com/fr / Der Opernfreund / Loriot (Youtube)