Frankfurt: Musikalische Wonnen

Richard Wagner
Siegfried-Idyll

Felix Mendelssohn Bartholdy
Konzert für Violine und Orchester e-Moll op. 64

Johannes Brahms
Haydn-Variationen op. 56a

Frankfurter Opern- und Museumsorchester

Daniel Lozakovich (Violine), Sebastian Weigle (Leitung)

Den Beginn des Konzertes formulierte ein berühmtester musikalischer Geburtstagsgruß. Es war am 24. Dezember 1870 als Richard Wagner seiner Frau Cosima zu ihrem 33. Geburtstag die Komposition „Siegfried-Idyll“ widmete und im kleinen Kreis uraufführte, um genau zu sein: auf der Treppe im Landhaus des Komponisten in Tribschen, in der Nähe zu Luzern. Cosima verweigerte längere Zeit die Freigabe dieser Komposition für die Öffentlichkeit, weil ihr dieses musikalische Geschenk zu persönlich erschien. Auch deshalb, weil es zur Erinnerung an derer beiden Sohn Siegfried gedacht war. Die Musikwelt nahm später diese entzückende musikalische Oase tief in ihr Herz auf, so dass es zu den bekanntesten Orchesterwerken Richard Wagners gehört. In dieser einzigen symphonischen Dichtung, die Wagner schrieb, verarbeitete er Motive aus seinem gleichnamigen Musikdrama „Siegfried“.

Frankfurts Generalmusikdirektor Sebastian Weigle ist hörbar intensiv mit der Musik Richard Wagners bestens vertraut. Mit größter Sensibilität und Akkuratesse traf er perfekt die lyrische Grundstimmung der Komposition. Samtig und hell gerieten die Aufschwünge in den aufblühenden Streichern. Dazu sauber intonierte Farbtupfer der Bläser. Mit Hingabe und bewegender Emotionalität erlebte Weigle dieses Meisterwerk, als würde es im Moment des Musizierens entstehen. Immer wieder staunte sein Gesicht und verriet die Glückseligkeit des Erlebten. Weigle zeigte in seinem Dirigat, wie hoch musikalisch und absolut instinktsicher er Übergänge gestalten kann. Immer wieder hörte er tief in die Strukturen der Komposition hinein und gewährte dazu seinem Orchester breiten Raum für deren solistische Entfaltung. Tatsächlich vermochte dieser so überragende Beginn in der Darbietung des bestens musizierenden und hoch motivierten Frankfurter Opern- und Museumsorchester die Zuhörer zu entführen, an einen Corona-fernen Ort voller musikalischer Freude. Diese Darbietung war eine einzige Kostbarkeit, ein Geschenk! Das andächtig lauschende Publikum begriff dies und feierte Weigle und sein wunderbares Orchester begeistert mit ersten Bravo-Rufen.

Als Solist präsentierte sich der junge Geiger und musikalische Senkrechtstarter Daniel Lozakovich. Kaum zwanzig Jahre jung, viele Preise und Einladungen bei bekannten Orchestern. Bereits bei der Deutschen Grammophon ist der Künstler unter Vertrag.

Lozakovich wählte für sein Debüt in Frankfurt das sehr beliebte Violinkonzert von Felix Mendelssohn-Bartholdy. Sensibel und virtuos gab der junge Geiger eine beeindruckende Probe seines Könnens. Bereits die einleitenden Takte verblüfften bei Lozakovich, der seinem Instrument einen äußerst intensiven, körperreichen Klang entlockte. Mit sehr weicher Bogenführung gelangen ihm bewegende Phrasierungsmomente. Natürlich kann Lozakovich sehr virtuos agieren, wie z. B. in der Kadenz des ersten Satzes. Am meisten beeindruckte hingegen die gestalterische Tiefe in den kantablen Momenten des Konzertes. Gerade hier verschmolz Lozakovich mit seinem Instrument und formulierte mit diesem einen intensiven, persönlichen Dialog.

Sebastian Weigle war hier kein Begleiter, sondern der zentrale Impulsgeber, der im Verein mit Lozakovich, deutlichste Akzente und viele Farbstimmungen realisierte. Orchester und Solist interagierten vortrefflich. Die gemeinsame Freude an dieser herrlichen Musik stand Orchester, Solist und Dirigent deutlich im Gesicht geschrieben. Viel Begeisterung für diese treffliche Darbietung.

In Wien im Jahr 1873 fand die Uraufführung der Haydn-Variationen für Orchester statt. Tatsächlich müsste die Komposition inzwischen umbenannt werden, denn die Ausgangsmusik stammte gar nicht von Joseph Haydn, sondern von einem Wallfahrtslied aus dem Burgenland!

Das einleitende Choral-Thema wird in acht darauffolgenden Variationen vielfach variiert ausgestaltet. Die Bläser sind intensiv gefordert. Brahms zeigt viele Stimmungsfarben in dieser Komposition, Melancholie, Anmut, aber auch Rasanz oder Jagdanklänge. Ein virtuoses Orchesterstück, dass dem Frankfurter Opern- und Museumsorchester einmal mehr reichlich Gelegenheit bot, seine stilistische Bandbreite eindrucksreich zu demonstrieren. Fabelhaft musizierten die sehr geforderten Bläser und Streicher. Erinnerungen an die vierte Sinfonie des Meisters weckte die in den Orchester-Variationen verwendete Triangel. Brahms setzte dieses Instrument gerne für festliche Klangwirkungen ein. Auch das von ihm bevorzugt verwendete Kontrafagott findet in den Variationen Verwendung.

Bei der Musik von Johannes Brahms war GMD Sebastian Weigle ganz in seinem Element. Klar in der Durchhörbarkeit und den dynamischen Proportionen geriet seine Interpretation völlig überzeugend. Prächtig arbeitete er das Prozessionshafte des Hauptthemas heraus. Feurig dann die zweite Variation, die an Brahms ungarische Tänze denken lässt. Mitreißend ließ Weigle die Streicher und Holzbläser die vertrackten rhythmischen Verästelungen spielen. Die Jagdanklänge in der sechsten Variation wurden wuchtig ausmusiziert. Sensibel dann das herrliche Grazioso in der schwebenden siebten Variation. Gerade hier war Weigle mit dem Orchester ganz eng verbunden. Ein inniger Tanz. Erhaben und groß ließ Weigle dann die finale Passacaglia erklingen. Festlich erstrahlend dann das Choralthema, ergänzt mit Piccoloflöte und Triangel. Ein kraftspendender Abschluss eines gelungenen Konzertabends.

Viel Freude im Publikum.

Dirk Schauß, 27. Oktober 2020