Frankfurt: Tastenzauber

Frankfurter Opernhaus- und Museumsorchester

Sebastian Weigle (Leitung), Yekwon Sunwoo (Klavier)

Peter Tschaikowsky
Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 b-Moll op. 23

Sergej Rachmaninow
Sinfonie Nr. 1 d-Moll op. 13

Es war spannend, mit dem Südkoreaner Yekwon Sunwoo, einen Vertreter der jungen Pianisten Generation zu erleben. Sunwoo machte sich u.a. international einen Namen, als er 2017 den bekannten Van-Cliburn-Wettbewerb gewann. Nun also einmal mehr das berühmte b-Moll Klavierkonzert von Tschaikowsky, welches erst kürzlich von Rudolf Buchbinder an gleicher Stelle sehr natürlich interpretiert wurde.

Sunwoo ging bei seinem Gastspiel einen ganz anderen Weg in seiner Interpretation. Da standen auf der einen Seite die sehr kraftvollen Akzente, vor allem in der linken Hand, die in den Ecksätzen markant wirkten. Auf der anderen Seite nahm er sich dann aber auch im zweiten Satz sehr weit zurück, hörte tief in die Musik hinein und suchte hier vor allem den Dialog zum Orchester. Wunderbare, sinngebende Rubati, lange nachklingende Pedal-Akkorde ergaben immer wieder eine geradezu magische Stimmung. Seine technische Perfektion war nie Selbstzweck, sondern gab ihm jederzeit die Freiheit, kraftvoll auszuspielen, ebenso mit weichem Ansatz seinen Kantilenen größte Sensibilität angedeihen zu lassen. Es war staunenswert, wie souverän und wagemutig er dieses fordernde Meisterwerk interpretierte und tief den Seelenklang erkundete. Im mitreißenden Schluss-Satz spielten sich das Frankfurter Opernhaus- und Museumsorchester unter Leitung von GMD Sebastian Weigle, die Bälle lustvoll zu. Hier trafen Energie und Virtuosität enthemmt aufeinander, was große Begeisterung auslöste. Vor allem die Hörner, Streicher und Holzbläser musizierten in mitreißender, lustvoller Musikalität. Weit ausschwingend ließ Weigle seine famosen Streicher singen und breitete so für Sunwoo einen roten musikalischen Teppich aus, den dieser, sehr bescheiden im Habitus, virtuos und hoch sensibel nutzte. Große Begeisterung im Auditorium veranlassten diesen besonderen Pianisten zu einer großzügigen Zugabe: eine Fantasie aus Themen des „Rosenkavaliers“ von Richard Strauss. Die Zeit stand still bei derart viel Tastenzauber! Wunderbar!

Im zweiten Teil erklang die 1895 entstandene erste Symphonie von Sergej Rachmaninow. Ein Schicksalsmoment im Leben des Komponisten. Die Uraufführung im Jahr 1897 war ein einziges Fiasko. Rachmaninow konnte nicht mehr komponieren. Erst eine längere Auszeit und intensive Hypnosebehandlungen reaktivierten die Schaffenskraft des sensiblen Komponisten.

Sein Werk bietet vielerlei Eigenheiten und ist in seinem episodenhaften Charakter erkennbar ein Jugendwerk. Fortwährend ist diese symphonische Musik auf der Suche, endlos die musikalischen Einfälle. Sogar Einflüsse von Zigeunermusik sind unverkennbar. Polyphonie und Kontrapunktik prägen die beiden Mittelsätze. Große, überwältigende Aufbrüche dazu in den Ecksätzen. Viel Gelegenheit also für orchestrale Virtuosität und manchen Bombast. Interessant auch im Larghetto die kühnen harmonischen Reibungen in den gestopften Blechbläsern.

Sebastian Weigle zeigte einmal mehr, dass er auch in der russischen Symphonik gut beheimatet ist. Obwohl die erste Symphonie niemals die Popularität der nachfolgenden zweiten Symphonie erreichte, holte Weigle alles aus der Partitur heraus. Da stimmte jeder Akzent und jedes Tempo. Mit großzügiger Phrasierung und einem untrüglichen Gespür für Steigerungen feuerte er sein gut eingestimmtes Orchester an. Die Streicher agierten süffig, die Holzbläser sangen betörende Kantilenen, während Blech und Schlagzeug die Höhepunkte überdeutlich heraus meißelten. Gerade die fünf Schlagzeuger hatten ihren großen, umfangreichen Einsatz im vierten Satz, der in seinen Fanfaren zuweilen an die Musik Tschaikowsky‘s erinnerte.

Die Symphonie fand großen, deutlichen Anklang beim Publikum. Weigle und das Frankfurter Opern- und Museumsorchester konnten sich über reichen Applaus freuen.

Dirk Schauß 9.4.2019