Frankfurt: Elektra

Nach einer umjubelten Salome – Aufführung im Jahr 2016 in der Alten Oper Frankfurt, folgte nun eine erneute konzertante Strauss Oper, diesmal seine „Elektra“. Gerade das Opernwerk von Richard Strauss eignet sich in seiner farbigen Dramatik und erzählerischen Dichte hervorragend für konzertante Aufführungen, insbesondere seine orchesterlastigen Werke, wie „Elektra“.

In aller Regel ist jeder Orchestergraben eines Opernhauses zu klein, um die volle Orchestergröße zu beherbergen, die Strauss vorschwebte. Umso reizvoller also, den vollen Orchesterklang des groß besetzten HR-Sinfonieorchesters unter Leitung seines scheidenden Chefdirigenten Andrés Orozco-Estrada zu hören. Das Orchesterpodium war etwas abgesenkt. Davor gab es eine Bühnenrampe, auf welcher die Sänger der Hauptrollen ihre Rollen szenisch darboten, unterstützt von wechselnden Farbstimmungen.

In der Titelpartie war Elena Pankratova zu erleben. Eine eindrucksvolle, mühelose, dramatische Sopranstimme, die nach langen Jahren des italienischen Repertoires, in den letzten Jahren vor allem in den hochdramatischen Partien des deutschen Faches reüssierte. So war und ist sie als Kundry in Bayreuth zu hören, die Ortrud kommt dieses Jahr an gleicher Stelle dazu. Färberin und Elektra sang sie u.a. in München und Wien. Dazu aber auch die Turandot ebenfalls an der Wiener Staatsoper. Welch ein wohltuendes Erlebnis, eine Sängerin auf der Höhe ihrer Möglichkeiten zu erleben, die dazu mit den horrenden Anforderungen der Hauptrolle mühelos fertig wurde. Ausdauernd und wohltönend, niemals schrill, bis zum Schluss sauber intonierend. Darüber hinaus war sie auch in der Lage, große lyrische Bögen im Duett mit Orest zu realisieren. In der Charakterisierung blieb sie stets dem Wohlklang ihrer Stimme verpflichtet, so dass das Gebrochene, Wahnhafte der Figur sehr in den Hintergrund trat. Szenisch zeigte sie viele Ansätze der Rollengestaltung, oft in großer Stummfilmgeste.

An ihrer Seite agierte als ihre Schwester Chrysothemis Allison Oakes, die für die erkrankte Simone Schneider eingesprungen war. In dieser Partie zeigte Oakes eine ungewöhnlich große Stimme, die lediglich in den Höhen leicht zur Schärfe tendierte. Dazu sang sie mit innerer Beteiligung und schuf einen erfahrbaren Rollencharakter.

Sehr gut und bis ins Detail jederzeit überzeugend Michaela Schuster als derer beiden Mutter Klytämnestra. Erfreulich diese so wichtige Partie von einer Sängerin zu hören, die im Vollbesitz ihrer stimmlichen Möglichkeiten ist und dazu jede Silbe des herrlichen Textes von Hugo von Hofmannsthal mit größter Bedeutung auflud. Hier brauchte es keine Regie, da genügte ein Blick ihres expressiven Gesichtes, um die Vielschichtigkeit ihrer Rolle zu imaginieren. Auch scheute sie sich nicht, gelegentlich die Gesangslinie zu verlassen, um dem Text noch mehr artikulatorische Wucht zu geben. Großartig!

Ein Luxus-Besetzung war der Orest in der Gestaltung von Bariton Michael Volle. Dieser großartige Sänger macht jede Rolle, die er singt zu einem besonderen Erlebnis! Als er die Bühne betrat, veränderte sich deutlich die Energie auf dem Podium. Welche Präsenz im szenischen Ausdruck und in der herrlichen Stimme! Diese tönte raumgreifend in den großen Saal, ebenso in den bassigen Tiefen sonor, wie sie leicht in die heldenbaritonale Höhenlage („Ich werde es tun“!) aufsteigen konnte. Dazu kommt eine exemplarische Textdurchdringung und -verständlichkeit, die leider viel zu selten zu erleben ist. Ein herausragender Sängerdarsteller, ein Erlebnis, für das die Zuhörer zurecht große Begeisterung äußerten. Mit dieser überragenden Leistung geriet das Wiedersehen von Elektra und Orest zum absoluten Höhepunkt des Abends. Wunderbar!

Als Aegisth zeigte Michael Schade einen schneidend hellen Tenor, der überzeugend den labilen Charakter seiner Partie aufzeigte und in seinen textlichen Pointierungen seiner Rolle nichts schuldig blieb. Die übrigen Nebenrollen sangen korrekt, blieben jedoch äußerst blass in der inhaltlichen Aussage.

In Hochform zeigte sich das mächtig auftrumpfende HR-Sinfonieorchester, das in allen Spielgruppen sehr überzeugte und maßgeblich den Abend prägte. Insgesamt zeigte Dirigent Orozco-Estrada eine Interpretation, die vorzüglich die dynamische Balance wahrte. Dabei schenkte er sich und seinem Orchester keine Ruhe, trieb es permanent nach vorne zu Höchstleistungen an. Auf der Strecke blieben leider dabei die lyrischen Kontraste. So ließ er die Ruhepunkte viel zu wenig ausphrasieren, so z.B. im Agamemnon-Monolog der Elektra oder im Geschwister-Duett von Elektra und Orest. Auch in den Akzenten des Schlagzeuges war hier eher eine defensive Lesart zu erleben.

Am Ende große Begeisterung im Publikum.

Dirk Schauß 16-3-2019