Savona / Sanremo: „La voix humaine“, Francis Poulenc

Savona im italienischen Ligurien ist nicht nur eine wichtige Hafenstadt, sondern auch der Geburtsort von Renata Scotto. Im Rahmen der sommerlichen Kulturereignisse sollte die Künstlerin ein weiteres Mal geehrt werden, indem man ihr die Regie von Francis Poulenc‘ Monolog einer von ihrem Geliebten verlassenen Frau (vom Komponisten ironisch tragédie lyrique untertitelt) auf einen Text von Jean Cocteau anvertraute. Die Rolle der namenlosen, nur als „Elle“ bezeichneten Frau hatte die Scotto ja in ihren späten Karrierejahren mehrmals verkörpert.

Die Wahl des Schauplatzes machte die Sache allerdings nicht einfach, denn im großen Hof der Festung Priamar (in der sich auch die Zelle des Irredentisten Giuseppe Mazzini befindet) verlor sich die – dankenswerterweise ohne elektronische Verstärkung stattfindende – Geschichte vor allem optisch. Statt auf einem Sofa zu sitzen, musste „Elle“ abwechselnd zwischen zwei Telefonapparaten hin- und hergehen, um ihrer Enttäuschung über den Verrat ihres Geliebten Ausdruck zu verleihen. Regieassistent Renato Bonajuto hat die 90-jährige Diva bei ihrer Arbeit wesentlich unterstützt (Bühne: Lorenzo Trucco, Kostüme: Artemio Cabassi).

© Eva Pleus

„Elle“ wurde von der polyglotten Sopranistin Diana Lamar (geboren in Bulgarien, aufgewachsen in Ägypten und wohnhaft in der französischen Schweiz) interpretiert. In einem Stück, das mehr auf Expressivität als auf Stimmaufwand setzt, vermochte sie dem Text zahlreiche Schattierungen und Nuancen zu verleihen. Eingeleitet wurde der Abend von „La dame de Monte-Carlo“, einem siebenminütigen ironischen Monolog, der gleichfalls vom Gespann Poulenc/Cocteau stammt. Auch hier konnte Lamar mit vielen Feinheiten brillieren. Da es sich um eine Koproduktion mit dem Orchestra Sinfonica di Sanremo handelte, spielte unter der aufmerksamen Leitung von Matteo Beltrami dieser Klangkörper, wobei vor allem gute Blechbläser auffielen.

Tags darauf fand die Vorstellung im 400 Plätze beherbergenden Theater des Kasinos statt, und es war festzustellen, dass „La voix humaine“ im geschlossenen Rahmen viel stärker wirkte. Ein Fauteuil, ein Telefon und ein winziges Tischchen, alles an der Rampe, brachten die Handlung dem Publikum viel näher, und man konnte die Zerrissenheit, die Lamar so gut zur Geltung brachte, aus der Nähe auf ihren Gesichtszügen miterleben. Auch die Leistung des Orchesters unter der lebhaften Leitung Beltramis bekam ein ganz anderes Gewicht, und so gab es heftigen, langanhaltenden Applaus. (Warum „La dame de Monte-Carlo“ hier nicht auch gegeben wurde, bleibt das Geheimnis der Veranstalter).

Eva Pleus 23. Juli 2023


La voix humaine

Francis Poulenc

Premiere: 15. Juli 2023

Fortezza del Priamar, Savona

Reprise: 16. Juli 2023

Theater des Kasino Sanremo

Regie: Renata Scotto / Renato Bonajuto

Bühne: Lorenzo Trucco

Dirigent: Matteo Beltrami

Orchestra Sinfonica di Sanremo