Aufführung am 25.10.19 (Premiere), Teatro Comunale Luciano Pavarotti
Diese Produktion habe ich schon mehrmals besprochen, war sie doch im Verbund der Theater der Region Emilia-Romagna vor recht vielen Jahren für Parma herausgekommen, als Raina Kabaiwanska Abschied von einer ihrer Lieblingsrollen nahm, und wurde seither immer wieder gezeigt. Damals lag die Regie in den Händen des inzwischen längst verstorbenen Alberto Fassini und wird nun regelmäßig von Joseph Franconi Lee betreut, der manch kleine Details hinzufügt bzw. verändert. So schien mir das Auftreten des Folterknechts Roberti (der bekanntlich nichts zu singen hat) neu. Bühnenbild und Kostüme von William Orlandi haben ihren Reiz behalten, vor allem im 1. Akt, wenn di Prozession zum Tedeum hoch oben auf einer lichtdurchfluteten Empore erscheint. Viel sagen auch die zahlreichen Kreuze aller Größen und Macharten auf Scarpias Tisch über die Atmosphäre im Palazzo Farnese aus. Die der Zeit der Handlung zur Wende vom 18. ins 19. Jahrhundert entsprechenden Kostüme für die Protagonistin sind eine Augenweide.
Am Pult des in Modena ansässigen Orchestra Filarmonica Italiana stand Matteo Beltrami, der Puccinis grandioser Partitur zahllose Farben entlockte und keinen Zweifel an der Modernität des Komponisten ließ, den man – allen Zweiflern und Herabwürdigern, wie etwa Gérard Mortier, zum Trotz – ruhig als dem 20. Jahrhundert verbundenen, progressiven Künstler sehen darf. Der sehr hoch liegende Orchestergraben machte es Beltrami nicht immer leicht, den Klangrausch des Orchesters zu dämpfen. Der Coro Lirico di Modena und der Kinderchor der Stiftung des Hauses machten ihre Sache ausgezeichnet.
Die Titelrolle wurde von der spanischen Sopranistin Ainhoa Arteta mit leidenschaftlichem Einsatz gegeben. Ein leichtes Vibrato war nicht weiter störend angesichts der souveränen Bewältigung der dramatischen Attacken. Wirkte ihre Gestik manchmal ein wenig antiquiert, so gelang es der Künstlerin gut, den Unterschied zwischen der eifersüchtigen „privaten“ Primadonna und dem traumatisierten Opfer Scarpias herauszuarbeiten. Überzeugend in Gesang und Auftreten auch ihr Cavaradossi Luciano Ganci, dessen Stärke vielleicht nicht unbedingt Puccinis Konversationsstil ist, der aber mit gefestigter Mittellage und strahlender Höhe zu beeindrucken wusste und mimisch sehr aktiv war. Einen zwiespältigen Eindruck hinterließ Dario Solari aus Uruguay als Scarpia.
Das Gefühl war, dass hier einer eher lyrischen Stimme mit Gewalt Kraft abgetrotzt werden sollte, worauf das Organ mit Rauheit reagierte. Szenisch war der Sänger beweglich, ohne der Figur spezielles Profil zu verleihen. Giovanni Battista Parodi war ein ordentlicher Angelotti, Valentino Salvini als Mesner stimmlich ein Ausfall. Raffaele Feo gab einen stimmlich und schauspielerisch nachdrücklichen Spoletta. Als Sciarrone bzw. Kerkermeister ergänzten Stefano Marchisio und Simone Tansini; die Stimme von Isabella Gilli klang viel zu weiblich für den Hirtenknaben.
Viel Beifall für alle und große Begeisterung für Arteta.
Eva Pleus 27.10.19
Bilder: Rolando Paolo Guerzoni