Aufführung am 11.8.18, Haus für Mozart (Premiere am 8.8.)
Selten so gelacht in der Oper
Wenn das Regieduo Moshe Leiser / Patrice Caurier mit Cecilia Bartoli arbeitet, entstehen immer wieder Produktionen, die weit entfernt sind von Fehltritten, wie sie z.B. im diesjährigen Essener „Trovatore“ so heftig zutage traten. Die vom Pfingstfestival zu den Sommerfestspielen transferierte Inszenierung hält ein schönes Gleichgewicht zwischen der humorvollen Darstellung eines Feminismus ante litteram und ironischer Distanziertheit zum arabischen Alltag.
Einen starken Beitrag dazu liefert das Bühnenbild von Christian Fenouillat, das sich an der Darstellung von Häuserfassaden voller Satellitenschüsseln in Algier inspiriert, wie sie von Stéphane Couturier zwischen 2011 und 2015 geschaffen wurden. Köstlich aber auch das Schlafzimmer des Bey Mustafà, der hier zu einem Typen wird, der als Kleinkrimineller Elektrogeräte schmuggelt. Die inszenierte Ouverture wurde einmal nicht zum Ärgernis, denn Elviras Annäherungen an ihren lustlosen Ehemann, auch mit Hilfe einer Bauchtanznummer, riefen schon die ersten Lachstürme hervor und waren der ideale Einstieg in das turbulente Geschehen. Wir hörten den Muezzin ebenso rufen wie wir arabische Nachbarn sahen, die sich lauthals über Lindoros schmachtendes „Languir per una bella“ beschwerten. Dazu kamen Gags für Kenner, wie etwa die Nachstellung des berühmten Photos vom Bug der „Titanic“, in der Bartoli und Rocha an die Stelle des Paares Winslet/Di Caprio traten.
Manchmal wurde zwar knapp am Slapstick entlang gerudert, speziell beim ein paarmal zu oft stolpernden Mustafà, und dass von Halys Arie „Le femmine d’Italia“ durch die eingeblendete Szene in der Fontana di Trevi aus Fellinis „La dolce vita“ abgelenkt wurde (Video: Étienne Guiol), war dem Interpreten gegenüber nicht fair, aber im Ganzen war die Erzählung ein köstlicher Spaß.
Dass die Titelrolle der Isabella für La Bartoli zu tief liegt, war für jeden Kenner klar, doch wie wusste sie das zu kaschieren bzw. einige der tiefen Phrasen wie ein zu allem entschlossener Mann wiederzugeben! Ihr maliziöses Spiel war, zusammen mit der intakten Koloratur, ein reines Vergnügen. Wenn sie z.B. schaumbedeckt in der Badewanne die Aufregung all ihrer drei Verehrer genießt, so ist das auch schauspielerisch große Klasse. Der fesche Ildar Abdrazakov zeigte viel Mut zur Satire, indem er sich die längste Zeit im Feinripp samt Schmerbauch zeigte (die stimmigen Kostüme stammten von Agostino Cavalca). Stimmlich war es natürlich eine Freude, die Rolle nicht von einem Buffo, sondern von einem gestandenen Bass interpretiert zu hören. Der Lindoro des Edgardo Rocha verfügte nicht über das edelste aller Timbres, war aber höhen- und koloratursicher und spielte – wie alle anderen auch – auf Teufel komm raus.
Alessandro Corbelli war ein vergnüglicher, jeder Übertreibung abholder Taddeo (wenn man davon absieht, dass auch er sich in Unterhose präsentieren musste, auf der an prominenter Stelle ein Porträt von Superman zu sehen war) mit immer noch intaktem Bariton. Rebecca Olvera als verschmähte Gattin Elvira glänzte mit sicheren Spitzentönen in den Ensembles, und Rosa Bove war ihr als Zulma eine verlässliche Begleiterin. Als hochinteressant erwies sich der Bass des jungen Boliviers José Coca Loza (Haly), von dem man sich noch viel erwarten sollte.
Auch Jean-Christoph Spinosi am Pult des von ihm gegründeten Ensemble Matheus erhielt viel Zustimmung. Rhythmisch überaus sicher (was bei Rossini unabdingbar ist, siehe etwa den Schluss des 1. Akts mit seinen geradezu dadaistischen Wortgebilden), hätte ich mir von ihm und seinen MusikerInnen manchmal einen etwas weicheren Klang gewünscht. (Hier setzte die Regie mit sich bewegenden Fauteuils, in denen die Protagonisten hängen, mit in den Chor gemischten kopfstehenden Mimen einen weiteren skurrilen Höhepunkt).
Nicht nur stimmlich ausgezeichnet hielt sich auch der Philharmonia Chor Wien in der Einstudierung seines Gründers Walter Zeh: In den Trikots der italienischen Fußballnationalmannschaft verschlangen seine Mitglieder mit sichtlichem Genuss frisch zubereitete Spaghetti (ein weiterer Hinweis der Regisseure auf die in unseren Köpfen verankerten Klischees im Gegensatz zu Taddeo, der gezwungen ist, sich von Couscous zu ernähren).
Ein Abend, an dem sich die Interpreten vermutlich genau so gut unterhielten wie das jubelnde Publikum.
Eva Pleus 15.8.18
Bilder: Salzburger Festspiele / Ruth Waltz (1 und 2), Monika Rittershaus (3 und 4)