Konzert am 6.2.2019
Pia Salome Bohnert: Sopran
Linda Leine: Klavier
„Dunkelrote Rosen, bring‘ ich, schöne Frau“ … Dieses Einlagelied zu Carl Millöckers „Gasparone“ kam im Recital von Pia Salome Bohnert zwar nicht vor, aber an dem durch Edith Piaf berühmt gewordenen Chanson „La vie en rose“ ging die Sopranistin nicht vorbei. Für ihren Auftritt bei der engagierten Reihe „Im Zentrum Lied“ (Saisonthema: Kolorit) hatte die Sängerin zusammen mit ihrer Klavierpartnerin Linda Leine ein äußerst vielschichtiges Programm konzipiert, vom Barock eines Henry Purcell bis hin zu aktueller Moderne. Vielleicht war es eine Premiere, aber dann dürfte es wohl später noch anderswo zu hören sein. Wie auch immer: zwei Stunden auswendig Singen bedeutet schon mal eine enorme Gedächtnisleistung, dazu kam der Wechsel zwischen vier Sprachen (incl. Russisch). Einige Texte hat Pia Salome Bohnert für das wie immer üppige Programmheft selber ins Deutsche übertragen.
Es gibt kaum eine Blume, welche nicht besungen wurde, vom Edelweiß bis hin zur Lilie. Doch der Rose eignet wegen ihres Aussehens besondere Attraktivität. Auch ihr Lebensrhythmus, welcher dem des Menschen gleicht (Schlafen, Erwachen), bringt einem diese Blume besonders nahe. Wohl können die Stacheln der Rose einer allzu großen Berührungsintensität im Wege stehen. Aber dem „Heidenröslein“ Goethes, von Franz Schubert vertont, nützt solche Abwehr nichts – es erleidet den Tod durch einen „wilden Knaben“. Und dieser Vorgang läßt sich sogar noch zwischenmenschlich gesteigert deuten … Mit einer Reihe gezielter Ritenuti ließen Pia Salome Bohnert und Linda Leine das kleine Drama beklemmend tragisch werden. Bedeutungsvoll die extrem verlangsamte, finale Refrainzeile „Röslein rot“.
Das aufeinander Hören und der agogische Gleichklang beider Künstlerinnen bewährte sich auch bei anderen Liedern, wobei die vier Beispiele aus Mädchenblumen“ von Richard Strauss die im Programm eher knapp berücksichtigte Romantik auffüllte. Kompositorisch am inspiriertesten ist die „Wasserrose“, welche sich in ätherischer Melodik ergeht. Auf die eher heiteren „Mohnblumen“ bereitete schon das leichte Lächeln der Sopranistin vor. Humorvoll auch die beiden Beispiele aus Hans Pfitzners „Alte Weisen“, wobei Pia Salome Bohnert mit einem klaren hohen C einmal mehr ihre Höhensicherheit unter Beweis stellte.
Die Stimme der Sopranistin besitzt eine leichte Kühle, was aber kein Defizit an Ausdruckswärme bedeutet. Dieses Timbre vermag den Gesang hingegen vor allzu massiver Emotionalität zu schützen. Bei den ausgewählten Gesängen, darunter Maurice Ravels „Shéhérazade“, war das freilich kaum nötig. Während sich Olivier Messiaen als Vertreter einer wirklich zeitgenössischen Musik in seinen „Trois mélodies“ noch in etwa tonal äußert, führten die Titel von George Crumb in eine bereits geräuschhaft angereicherte Tonwelt. Die kam dem Zuhörer freilich immer noch näher als Anna Mikolajkovás sprechdominante „Vertonung“ einer knappen Wortfolge, von Daniel Gerzenberg offenbar mit Überzeugung als „Gedicht“ bezeichnet. Ein Auftragswerk. Nun ja, solche Experimente nimmt man schon mal an. Noch nicht erwähnte KomponistInnen: Sofia Gubaidulina und Joseph Marx. Die Pianistin zäsierte den Abend mit Klavierstücken von Claude Debussy und Serge Prokofjew und überzeugte auch hier mit ihrem exquisiten Spiel. Diverse Wortbeiträge zum Thema „Rose“ steuerte Andreas Durban bei, rhetorisch lebendig wie immer.
Christoph Zimmermann (7.2.2019)
Foto vom Veranstalter