Premiere am 17.2.2018
Neoklassischer Tanz in Eleganz und Schönheit
Das Ballett in der neoklassischen Deutung von Bridget Breiner fängt erst einmal musiklos an. Textfragmente kommen aus allen Lautsprechern im 360 Grad Sound. Man hört höchst unverständlich in unterschiedlichen Sprachen (Versteckter Hinweis auf Deutschlands Asylproblematik ?) Teile des Prologs des original Shakespeare-Textes. Ähnlich beginnt nach der Pause auch der zweite Akt; allerdings bleibt man hier im englischen Original. Ich persönlich fand es weder erbauend noch erhellend, sondern eher als unnötige Verlängerung der Aufführung. Aber was zählt ist ja der Tanz. Und hier muß man eine große Lanze für das kleine nur aus 14 Tänzerinnen und Tänzern bestehende Ballett-Ensemble brechen. Sowohl die größeren Ensembles, auch die grandiosen Pas de Deux haben internationales Niveau.
Die Kostüme (Jürgen Kirner auch für die Bühne verantwortlich) bestehen bei den Jugendlichen anfangs aus Lederanzügen und Kampfmasken, eine Mischung aus Boxer-, Eishockey und Spartaner-Helm; gekämpft wird mit schlichten langen Stöcken. Die Adelsvertreter tragen historisierend Kostüme.
Francesca Berruto (Julia) und Ledian Soto (Romeo) tanzen fast überirdisch gut mit der zu erwartenden Leidenschaft und ausreichend romantischem Aplomp – vor allem im letzten besonders ergreifenden Akt. Louiz Rodrigues (Mercutio) und Valentin Juteau (Tybalt), sowie Tessa Vanheusden (Lady Capulet) überzeugen auf ganzer Linie; nicht zu vergessen Rita Duclos (Zofe). Bridgett Zehr (hinzuerfundenes Schattenwesen aus dem Totenreich) bereichert im Sinne des klassischen Chores die Szenen. Toll Paul Calderone als Pater Lorenzo.
Die geniale Musik von Prokofjew – vorzüglich von Rasmus Baumann und der Neuen Philharmonie Westfalen umgesetzt – liefert die passend mitreißende Atmosphäre für eine gute Gesamtchoreografie, die überwiegend in einer ziemlichen Dunkel- bis Schattenwelt auf sehr reduzierter Bühne, sich abspielt.
Fazit: Ein gut durchdachtes und intelligent gestaltetes Handlungsballett, welches fern aller überflüssiger Kostümorgiastik, die wir sonst an großen Häusern erleben, den Kern der Geschichte schon fast intim kammermusikalisch präsentiert.
Ein bemerkenswerter Abend. Lohnende Anreise auch für Ballettfreunde aus dem weiteren NRW-Umfeld – besonders für die Düsseldorf/Duisburger , die ja immer noch auf jedes Handlungsballett an der heimischen Bühne verzichten müssen. Auf nach Gelsenkirchen ins MIR. Es lohnt sich 😉
Alviano Salvago 19.2.2018
Bilder (c) Costin Radu