Alte Oper, 13. November 2019
Johann Sebastian Bach
Aus dem Wohltemperierten Klavier, Teil II:
Präludium und Fuge Es-Dur BWV 876
Präludium und Fuge As-Dur BWV 886
Präludium und Fuge gis-Moll BWV 887
Robert Schumann
Sieben Klavierstücke in Fughettenform op. 126
Robert Schumann
Gesänge der Frühe op. 133
Ludwig van Beethoven
Sonate Nr. 31 As-Dur op. 110
Ein äußerst anspruchsvolles Programm prägte den Klavierabend von Piotr Anderszewski bei seinem jüngsten Gastspiel in der Alten Oper Frankfurt.
Gut 20 Jahre dauerte es, bis Johann Sebastian Bach seine Komposition Das Wohltemperierte Klavier (BWV 846–893) abgeschlossen hatte. Diese gewaltige Sammlung an Präludien und Fugen stellt höchste Anforderungen an den Interpreten. Ursprünglich für Cembalo und Clavichord vorgesehen, wurde es schnell zu einem der großen Repertoire-Stücke für Tasten-Virtuosen.
Piotr Anderszewski entschied sich bei seiner Auswahl auf drei Kompositionen des zweiten Teils. Im Mittelpunkt seines zurückhaltenden Vortrages stand die komplexe Polyphonie der Werke. Er konzentrierte sich erkennbar auf Transparenz und Durchhörbarkeit. Technisch bediente er alle Anforderungen tadellos. Seine Tempi wirkten fließend und homogen in deren klanglichem Verlauf. Dabei stellte er sich insgesamt als Interpret sehr in den Hintergrund.
Ein deutlicher musikalischer Kontrast ergab sich dann durch die vorgetragenen Kompositionen von Schumann und Beethoven. Als überleitende Brücke fungierten die sieben Klavierstücke op. 126, die Robert Schumann in Fughettenform komponierte. Stilistisch sind diese Stücke gar nicht so weit von Bach entfernt. Auch hier betonte Anderszewski die musikalische Form und stellte sein Können ganz in den Dienst des musikalischen Vortrages.
Johannes Brahms inspirierte Robert Schumann zu seinem jenseitig anmutenden Zyklus „Gesänge der Frühe“, die Schumann an nur drei Tagen im Oktober 1853 komponierte. Er verstand diese Komposition als Ausdruck seiner Empfindung beim Anbruch eines Tages. Immer wieder lassen diese Werke an Choräle oder auch Lieder denken und doch tragen diese Stücke auch die Anzeichen des sich verdüsternden Geistes des Komponisten.
Anderszewski nahm sich Ruhe, das Choralhafte deutlich zu vermitteln und die Melodieführung feinfühlig zu gestalten. Im zweiten Stück wahrte er eine kluge Balance in der Akzentuierung der Triolen. Deutlich dann die herausgestellten Punktierungen im lebhaften dritten Stück, sekundiert von gewichtigen Oktavbewegungen. Ein dynamischer Ritt über die Tasten. Herrlich dann die fließenden, impressionistisch wirkenden Arpeggien im vierten Stück. Das beschließende fünfte Stück zeigte Anderszewski wieder als zurückhaltenden Gestalter, der Choral und kantable Phrasierung zu einem nach innen gewendeten Abschluss führte.
Den Schlusspunkt bildete die späte Sonate Nr. 31 As-Dur, die Ludwig van Beethoven 1822 komponierte. Wie in seiner Spätphase üblich, liegt auch hier der Schwerpunkt auf dem letzten Satz.
Nahezu nahtlos, d.h. an Schumann anknüpfend, begann Anderszewski seinen Vortrag.Der erste Satz beginnt ruhig und mündet in eine prägnante eingängige Melodie, die Beethoven immer wieder neu variiert. Anderszewski hörte sensibel in die musikalische Struktur hinein. Den vielen fordernden Schwierigkeiten begegnete er mit Bravour. Über allem stand sein klarer Blick für die dynamische Balance.
Von einer anderen Seite zeigte sich Anderszewski dann im zweiten Satz, in welchem er z.T. deutlichere Farben ausstellte. Kräftiger in den Akzenten erklang nun sein Spiel. Ebenso dann auch die wuchtigen Sforzati.
Als einer der schwersten Sätze gilt der letzte Satz mit seinen vielfältigen Vortragsbezeichnungen. Hier bündelte Anderszewski nochmals sein technisches Können. Beeindruckend seine Souveränität, die Klarheit in den zahlreichen Fugato-Abschnitten. Viel Gewicht im donnernden Schluss-Crescendo.
Und doch, Anderszewski stellte auch im zweiten Teil den wiedergebenden Musiker in den Mittelpunkt, der weniger interpretiert. Immer stand bei ihm im Kern seines Bemühens die Klarheit der Form und die eher werkdienende Reproduktion der Musik. Pianistische Eigenarten, interpretierende Kommentare oder auch mutige Klangfärbungen, zu welchen Schumann und Beethoven einladen, blieben ausgespart. Dazu passte auch sein kompletter Verzicht auf agogische Effekte. Gerade Schumann und Beethoven hätten hier so manches Rubato gut vertragen.
Das etwas unkonzentrierte Publikum zeigte seine Würdigung mit anhaltendem Applaus. Der bescheiden wirkende Künstler dankte mit zwei Zugaben, an deren Ende wieder Bach stand.
Dirk Schauß, 15.11.2019