Das vorliegende Album von Manfred Honeck und dem Pittsburgh Symphony Orchestra, präsentiert von REFERENCE RECORDINGS®, bietet eine der beeindruckendsten Neuinterpretationen von Tschaikowskys Sinfonie Nr. 5 der letzten Jahre, in Verbindung mit Erwin Schulhoffs Fünf Stücken für Streichquartett, welche von Manfred Honeck und Tomáš Ille für großes Orchester neu arrangiert wurden. Die Aufnahmen wurden 2022 live in der historischen Heinz Hall, der Heimat des Pittsburgh Symphony Orchestras, in hervorragendem audiophilem Klang festgehalten.
Tschaikowskys Sinfonie Nr. 5, die im Jahr 1888 entstand, wird oft als ein persönliches Bekenntnis seiner Seele angesehen. Der Komponist experimentierte in seinen drei letzten Sinfonien mit programmatischen Ideen, bannte diese jedoch später wieder aus den Werken. Die Macht des Schicksals ist ein verbindendes Element in diesen Kompositionen. In den Sinfonien Nr. 4 und Nr. 5 führt der Kampf mit dem Schicksal am Ende zu einem siegreichen Lichtblick, während in der abschließenden sechsten Sinfonie der Tod die letzte Stimme hat.
Manfred Honeck verleiht der Sinfonie Nr. 5 einen intensiv klagenden Beginn, der von wunderbar intonierenden Klarinetten getragen wird, um das Schicksalsmotiv, das diese Sinfonie prägt, intensiv zu beschwören. Die tiefen Streicher setzen behutsam und kaum hörbar in das Geschehen ein, bevor Honeck mit untrüglichem Instinkt und einer tiefen Verbundenheit zur Musik den perfekten Puls trifft, um diesem Meisterwerk alles zu geben. Die Dynamik ist ausgewogen, und die Strukturen werden mit einem einfühlsamen Gespür für die weitläufigen Melodiebögen musiziert. Zu erleben ist ein Vortrag, der stets nach vorne drängt und zugleich äußerst dynamisch gestaltet wird. Rhythmische Brillanz in zugespitzten Tempi verleihen diesem Satz in der Darbietung Honecks und dem Orchester eine unwiderstehliche Wirkung! Mit beißender Härte marschiert dieser erste Abschnitt zurück in seine Düsternis.
Der zweite Satz beeindruckt mit einem der schönsten Sologesänge des Horns. Das berühmte Horn-Solo, makellos vorgetragen von William Caballero, wird von Honeck und dem Orchester mit perfektem Ansatz und feinster Agogik zelebriert. Die Zwiesprache mit den meisterhaften Kollegen an Klarinette und Oboe verleiht dem Andante Cantabile eine faszinierende Wirkung. Die dynamischen Kontraste sind ungemein deutlich ausgearbeitet. In Annäherung auf den kulminierenden Höhepunkt geben dann die Musiker des Orchesters alles und spielen mit maximaler Hingabe. Das wild aufbrausende Schicksalsmotiv löst schließlich alles auf. Manfred Honeck gestaltet diesen herrlichen Satz mit weitem Atem und instinktsicherem Sinn für Rubato und Agogik. Maximal schön in der Ausgestaltung der Details, gerät dieser Teil des Werks tief anrührend mit einer am Ende tröstlich intonierenden Klarinette.
Im Walzer des dritten Satzes führt Honeck betont leichtfüßig durch die Musik und setzt erneut Eintrübungen des Schicksalsmotivs und spitze Dissonanzen in den Hörnern ein, bevor er im beschließenden Andante Maestoso alle Schleusen öffnet und das hingebungsvolle Pittsburgh Symphony Orchestra völlig entfesselt aufspielen lässt. Honeck baut im furiosen vierten Satz immer wieder neue Klangballungen und Spannungsmomente auf, bevor die umwerfend dargebotene Coda alles in ein kraftvolles Licht von Trost und Hoffnung stellt. Die Streicher begeistern mit ihrer sonoren Klangkultur, und die Blechbläser spielen um ihr Leben, blitzsauber und perfekt in der Intonation. Die Musik des russischen Meisterkomponisten wirkt nur dann so spannend, aufwühlend und tief bewegend, wenn ein hingebungsvoll wissender Dirigent seine Leidenschaft auf ein Orchester überträgt, welches mit ihm diesen gemeinsamen Weg beschreitet! Eine jeder Hinsicht spektakuläre Hörerfahrung!
Neben Tschaikowskys Sinfonie Nr. 5 bietet das Album auch die Fünf Stücke für Streichquartett von Erwin Schulhoff, die von Manfred Honeck und Tomáš Ille für großes Orchester arrangiert wurden.
Erwin Schulhoff (1894-1942) war ein tschechischer Komponist und Pianist des 20. Jahrhunderts, der für seine experimentelle und vielseitige Musik bekannt war. In seinen Werken verschmolz er verschiedene Stile, darunter Expressionismus, Neue Sachlichkeit, Jazz und Volksmusik. Die „Fünf Stücke für Streichquartett“ sind eines seiner bekanntesten Kammermusikwerke.
- „Alla Czeca“ ist das erste Stück in der Sammlung und entführt den Zuhörer mit einem charakteristischen und lebhaften tschechischen Csardas-Rhythmus. Die Verwendung volksmusikalischer Elemente verleiht dem Stück einen tänzerischen Charakter und zeugt von Schulhoffs Interesse an der Integration populärer Stile in seine Musik.
- „Alla Serenata“, ist eine Serenade mit einem anmutigen und lyrischen Charakter. Es zeichnet sich durch eine singende Melodie und eine elegante Stimmführung aus. Schulhoff vermittelt eine melancholische Stimmung, die durch wunderschöne harmonische Wendungen verstärkt wird.
- „Alla Caccia“, greift auf den Jagdstil zurück. Es präsentiert einen jagdlichen Rhythmus und lebhafte musikalische Dialoge zwischen den Instrumenten. Das Stück ist von einer spielerischen Atmosphäre geprägt und vermittelt den Eindruck einer temperamentvollen Verfolgungsjagd.
- „Andantino quasi Allegretto“ ist besonders faszinierend im Tango Gewand, das sich durch ein gemächliches Tempo und eine leichtfüßige Melodik auszeichnet. Schulhoff verwendet in diesem Satz kontrastierende Motive, um Spannung und Interesse aufrechtzuerhalten.
- „Alla Tarantella“, ist von einer virtuosen und schnellen Tarantella, einem traditionellen süditalienischen Tanz, inspiriert. Schulhoff setzt auf ein aufregendes Tempo und rhythmische Komplexität, um ein mitreißendes Finale zu schaffen.
Insgesamt präsentiert Schulhoff in den „Fünf Stücken für Streichquartett“ eine kosmopolitische und innovative Musiksprache, die Elemente der Volksmusik, des Expressionismus und der Avantgarde vereint. Die Stücke zeigen sein bemerkenswertes Gespür für Rhythmus und Klangfarben. Durch die Neuarrangierung für großes Orchester erhalten diese Werke eine neue klangliche Dimension und können so einem breiteren Publikum zugänglich gemacht werden, während sie dennoch die ursprüngliche kreative Vision von Schulhoff bewahren. Manfred Honeck geleitet den Zuhörer auf eine immens kontrastreiche Hörreise mit schillernden Farben. Einmal mehr präsentierte sich das Pittsburgh Symphony Orchestra als fabelhafter Klangkörper.
Besonders bemerkenswert sind die persönlichen Anmerkungen von Dirigent Manfred Honeck im informativen CD-Beiheft. Seine tiefen Einblicke in die Interpretation, Geschichte und musikalische Struktur der eingespielten Werke ermöglichen es dem Hörer, eine tiefere Verbindung zur Musik herzustellen. Honecks Leidenschaft für die Musik und seine fundierten Erklärungen vermitteln ein tieferes Verständnis für die emotionale Tiefe und die künstlerische Bedeutung von Tschaikowskys Sinfonie Nr. 5 und Schulhoffs Fünf Stücken für Streichquartett.
Insgesamt ist diese CD-Veröffentlichung eine absolut herausragende Aufnahme, die sowohl audiophile Liebhaber als auch Kenner der Musik von Tschaikowsky und Schulhoff begeistern wird. In Sachen Tschaikowsky gelang Honeck eine Interpretation, die neue Maßstäbe setzt. Die gelungene Kombination von erstklassiger Musik, herausragender Interpretation und der persönlichen Informationen des Dirigenten verleihen diesem Album Besonderheit.
Dirk Schauß, im August 2023
Peter Tschaikowsky: Sinfonie Nr. 5 e-Moll, Op. 64
Erwin Schulhoff: Fünf Stücke für Streichquartett (Arrangement für großes Orchester Honeck/Ille)
Pittsburgh Symphony Orchestra
Manfred Honeck, Leitung
REFERENCE RECORDINGS®, FR-752SACD