Der größte Erfolg des 1996 verstorbenen Komponisten Jonathan Larson ist sein Musical „Rent“, das am 31. Oktober an der Dortmunder Oper Premiere haben wird. Eine schöne Ergänzung ist es, dass das Gelsenkirchener Musiktheater im Revier das kammerspielartige „Tick, Tick …. Boom!“ im Kleinen Haus herausbringt. Wie bei so vielen Raritäten, egal ob Oper, Operette oder Musical, zeigt sich: Das ist ein starkes Stück, das viel zu selten gespielt wird.
Die Geschichte, zu der Jonathan Larsson Buch, Musik und Gesangstexte geschrieben hat, ist autobiographisch gefärbt: Der Komponist Jon hält sich mit Kellnerjobs über Wasser, hofft aber auf den großen Durchbruch mit seinem Musical und hat gleichzeitig Angst vor dem 30. Geburtstag, worauf der Titel anspielt. Als weitere Figuren treten Jons Freundin Susan auf, die Tänzerin ist und vom Umzug aufs Land träumt sowie sein Freund Michael, der an HIV erkrankt ist.
Christiane Rolland hat als Bühnenbild mehre Podeste aufgestellt, die über Stege und Treppen miteinander verbunden sind. Trotz vieler wechselnder Schauplätze reicht Regisseur Carsten Kirchmeier dieses einfache Bühnenbild aus, um die Geschichte spannend auf die Bühne zu bringen. Wenn die Figuren erzählen, wo sie sich gerade befinden, glaubt man dies ihnen auch. Zudem denkt man als Zuschauer gar nicht darüber nach, dass hier irgendetwas inszeniert sein könnte, so natürlich bringt Kirchmeier die Figuren mit ihren Beziehungen und Konflikten auf die Bühne.
Gesprochen und gesungen wird auf Deutsch in der neuen Fassung von Timothy Roller. Das Stück enthält eine ganze Reihe starke Songs und Ohrwürmer, wobei das englische Original aber noch musikalischer ist als die deutsche Übersetzung. Die musikalische Leitung hat Wolfgang Wigler am Keyboard. Die gesamte Band mit Sebastian Dörries an der Gitarre, Bassist Ian Stewart und Andy Pilger am Schlagzeug spielt fulminant auf und egal ob in den rockigen Powersongs, in den sensiblen Balladen oder emotionalen Hymnen hat sie einen starken musikalischen Auftritt.
Luc Steegers, der den Jon spielt, ist optisch ein unscheinbarer Typ, beeindruckt aber mit seiner geschmeidigen und facettenreichen Stimme und der Leichtigkeit und Sicherheit, mit der auch die hohen Töne singt. In den ganz schnellen gesprochenen Passagen verschluckt er manchmal eine Silbe. Inga Krischke stand schon vor zehn Jahren als Folkwang-Studentin in „Spring Awakening“ auf der Bühne des Gelsenkirchener Theaters. Jetzt beeindruckt sie mit abwechslungsreichem Spiel, schließlich schlüpft sie neben der Susan noch in diverse andere Rollen. Ihre Gesangsnummern entwickelt sie ganz natürlich und einfühlsam, dreht dann aber in der Shownummer „Kannst Du´s erkennen?“ ganz groß auf. Vielseitig und bestens bei Stimme zeigt sich auch Sebastian Schiller als Michael und in anderen kleinen Rollen.
Das Publikum bricht nach jedem Song in frenetischen Jubel aus, so dass man sich anfangs von Fans und Kennern des Stückes umgeben fühlt. Als dann aber bei einem Song in die Generalpause gejubelt wird, zeigt sich, dass die Zuschauer das Stück doch nicht so gut kennen. Wahrscheinlich sind es eher Freunde, Verwandte und Bekannte der Akteure, die den Saal füllen. – Der Jubel für die Akteure und das Musical ist aber berechtigt, und man wünscht dieser Produktion, dass sie in jeder Vorstellung so gut besucht ist.
Rudolf Hermes, 13. September 2023
„Tick, Tick …. Boom!“
Musical von Jonathan Larson
Musiktheater im Revier
Premiere: 9. September 2023
Musikalische Leitung: Wolfgang Wigler
Regie: Carsten Kirchmeier
Bühne: Christiane Rolland
Kostüme: Hedi Mohr