Die kürzlich bei cpo veröffentlichte CD mit Orchesterwerken und der dritten Sinfonie von Hugo Kaun, präsentiert vom Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin unter der Leitung von Jonathan Stockhammer, ist zweifellos eine bemerkenswerte Rarität auf dem musikalischen Markt.
Hugo Kaun (1863-1932) war ein deutscher Komponist und Dirigent, der in der Zeit der deutschen Spätromantik tätig war. Er wurde am 21. April 1863 in Königsberg, Preußen (heute Kaliningrad, Russland), geboren. Kaun zeigte früh musikalisches Talent und studierte am Königlichen Konservatorium in Berlin. Nach seinem Studium arbeitete er zunächst als Dirigent in verschiedenen deutschen Städten, bevor er in die USA ging, wo er als Dirigent und Komponist erfolgreich war. Kauns Musik zeichnet sich durch eine spätromantische Klangsprache aus, die Elemente der deutschen Musiktradition mit Einflüssen des Impressionismus kombiniert. Seine Werke, darunter Orchesterstücke, Sinfonien und kammermusikalische Kompositionen, genossen in Deutschland und Amerika hohe Anerkennung.
Die beiden Werke „Minnehaha“ und „Hiawatha“ gehören zu Kauns symphonischen Dichtungen, die von den indianischen Mythen inspiriert sind. Diese Stücke repräsentieren Kauns Fähigkeit, musikalische Erzählungen zu schaffen und Atmosphären zu gestalten.
In „Minnehaha“ dürfte es sich höchstwahrscheinlich um eine musikalische Darstellung von Minnehaha handeln, einer Figur aus Henry Wadsworth Longfellows epischer Dichtung „The Song of Hiawatha“. Die Musik beschreibt die Anmut und Schönheit von Minnehaha.“Hiawatha“ ist wahrscheinlich eine musikalische Interpretation des Protagonisten aus Longfellows Werk. Hiawatha ist eine zentrale Figur, die als Friedensstifter und Kulturbringer in den indianischen Mythen dargestellt wird. Beide Stücke sind durch Kauns romantische Harmonik und seine Fähigkeit zur klanglichen Malerei geprägt, wodurch die Charaktere und Szenen aus Longfellows Gedichten zum Leben erweckt werden.
Kauns dritte Sinfonie ist zweifellos ein Höhepunkt seines Schaffens. Sie wurde sogar von Größen wie Hans Pfitzner und Wilhelm Furtwängler aufgeführt. Sie besticht durch ihre opulente Orchestration und emotionale Tiefe. Dieses Werk ist typisch für die Spätromantik und zeigt Kauns meisterhafte Fähigkeit zur Orchestration und zur Entwicklung von Themen. Kaun verwendet in seiner dritten Sinfonie eine reiche Harmonik, um eine dramatische Entwicklung der Themen zu gestalten. Das lange Adagio ist ein Höhepunkt dieser Sinfonie und verführt den Hörer mit seinem zauberhaften Klang. Die anderen drei Sätze zeigen Kauns außergewöhnliche Kraft und Gefühlstiefe in der musikalischen Erzählung. Die Sinfonie ist ein eindrucksvolles Klangbild der Spätromantik und gleichzeitig unterstreicht sie Kauns einzigartige klangliche Handschrift. Es ist interessant anzumerken, dass Kaun nach seiner Rückkehr aus Amerika 1902 als zu „traditionell“ galt, während Mahler und Delius neue musikalische Wege beschritten. Diese CD verdeutlicht, dass Kaun zwar in der Spätromantik verankert war, aber keineswegs auf der Stelle trat. Seine Musik zeugt von einer kontinuierlichen Entwicklung, die in ihrer Eigenständigkeit und Schönheit bewundert werden sollte.
Die Leistung des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin unter der Leitung von Jonathan Stockhammer ist erstklassig. Das Orchester zeigt sich in Topform und meistert Kauns anspruchsvolle Partituren mit Bravour. Stockhammer führt das Orchester souverän durch die teils turbulente Musik, und seine einfühlsame Interpretation bringt die emotionalen Nuancen der Werke hervorragend zur Geltung.
Die Aufnahmequalität selbst verdient ebenfalls Lob. Der Klang ist fabelhaft und fängt die orchestralen Farben und Details in beglückender Weise ein. Das beigefügte Beiheft ist äußerst informativ und bietet wertvolle musikwissenschaftliche Einblicke in das Leben und Werk von Hugo Kaun.
Insgesamt ist diese CD-Veröffentlichung von cpo eine bedeutende Entdeckung für Liebhaber der Spätromantik und der deutschen Musikgeschichte. Sie zeigt, dass Hugo Kaun eine herausragende Figur dieser Epoche war, dessen Musik es verdient, wiederentdeckt und geschätzt zu werden. Die ausgezeichnete Leistung des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin und die einfühlsame Interpretation von Jonathan Stockhammer machen diese Aufnahme zu einer spannenden Entdeckungsreise für jeden Musikliebhaber.
Dirk Schauß, 1. Oktober 2023
Hugo Kaun
Tondichtungen und dritte Sinfonie
Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin
Jonathan Stockhammer, Leitung
cpo, 555 572-2