Das traditionelle Neujahrskonzert des Staatsorchesters Braunschweig fand nach zwei Jahren Pandemie-Pause nun schon zum zweiten Mal in der Volkswagen Halle Braunschweig statt, weil in der Stadthalle seit langem die Sanierung ansteht. Die Akustik der übergroßen Halle, vor allem für Sport-Events und andere Großveranstaltungen gut geeignet, ist für klassische Konzerte durchaus problematisch. Deshalb mussten vorsichtige Verstärkungen vorgenommen werden, wie der etwas schulmeisterlich daherkommende Moderator des Abends, Robert Prinzler aus dem Braunschweiger Schauspielensemble, erläuterte. Gleich mit der einleitenden, ausgesprochen flott und mit feinen dynamischen Abstufungen servierten „Festlichen Ouvertüre“ von Dimitri Schostakowitsch war klar, welch durchweg gute Ergebnisse die Tontechnik erreicht hatte. Der Abend stand unter dem Motto „Aufforderung zum Tanz“ und enthielt daher überwiegend Werke mit tänzerischem Charakter. Auf die sonst für Neujahrskonzerte „klassischen“ Stücke aus der goldenen und silbernen Operetten-Ära hatte man bewusst verzichtet und ein vielseitiges, in den Stilarten abwechslungsreiches und in der Ausführung anspruchsvolles Programm zusammengestellt. Dem festlichen Auftakt folgte die selten zu hörende, virtuos auftrumpfende Ouvertüre zum Bühnenspiel „Der Silbersee“ von Kurt Weill, bei der – wie auch in allen anderen Stücken des Abends – eindrucksvoll deutlich wurde, wie souverän GMD Sraba Diníc alles im Griff hatte. Mit präziser und zugleich immer wieder animierender Zeichengebung spornte er „sein“ Staatsorchester Braunschweig zu Höchstleistungen an, die sich in vielen Stücken auch in ausgezeichneten Instrumentalsoli manifestierten.
Dass man in Neujahrskonzerten getrost auf Stücke der Strauß-Dynastie verzichten kann, zeigte sich in den folgenden Werken, die dem Motto des Abends alle Ehre machten: „Walzer“ und „Mazurka“ aus der „Maskerade“-Suite von Aram Khachaturian sowie „Allegro marcato“ aus Edvard Griegs volksliedhaften „Norwegischen Tänzen“. Das Staatsorchester ist auch Opernorchester, ein Bereich, in dem es sich hörbar wohlfühlte. So gab es geradezu üppige Klänge mit erneut exzellent ausgespielten dynamischen Abstufungen in „Danse Bacchanale“ aus der Oper „Samson et Dalila“ von Camille Saint-Saens und in der „Polonaise“ aus Tschaikowskys „Eugen Onegin“.
Nach der Pause erklang mit der weitgehend unbekannten „Festlichen Ouvertüre“ op.4 Bedrich Smetanas erstes Orchesterwerk, das – glänzend vom Staatsorchester dargeboten – in seiner Zerfaserung vieler verschiedener, oft unverbunden nebeneinander stehender Motive einen kompositorisch zwiespältigen Eindruck hinterließ. Dem folgte ein weiterer Höhepunkt des Abends: Entsprechend dem
Motto des Konzerts erklang in der Orchesterfassung von Hector Berlioz das gleichnamige berühmte Werk von Carl-Maria von Weber, in der er die verschiedenen Stadien einer Tanzszene musikalisch beschreibt. Es begann und schloss mit einem wunderschön ausgespielten Cello-Solo und begeisterte im Hauptteil durch eleganten Schwung. Weitere Tanzfreude entfachte das Orchester mit einem weiteren Walzer, nun aus Tschaikowskis Ballett „Dornröschen“. Eine ganz andere Stilart präsentierten die Musiker mit drei Tanzepisoden aus dem Musical „On the Town“ von Leonard Bernstein. Hier rahmten zwei mit zahlreichen Jazz-Motiven durchsetzte fetzige Stücke, die auch wunderbare Saxophon-Soli enthielten, ein etwas melancholisches, nachdenkliches Stück ein. Schließlich gab es quasi als „Rausschmeißer“ das rasante Finale „Molto vivace“ aus Sergei Prokofjews „Sinfonie classique“, dessen technische Schwierigkeiten für das Staatsorchester überhaupt kein Problem waren.
Mit einem zugegebenen „Ungarischen Tanz“ von Johannes Brahms und dem in Braunschweig wohl unvermeidlichen „Radetzky-Marsch“ ging das vom begeisterten Publikum beklatschte Neujahrskonzert 2024 fröhlich zu Ende.
Gerhard Eckels, 3. Januar 2024
Neujahrskonzert 2024
am 2. Januar 2024
VW-Halle Braunschweig
Musikalische Leitung: Sraba Diníc
Staatsorchester Braunschweig