CD: „Strauss und Mahler“, Orchestre Symphonie de Montréal

Das Orchestre Symphonie de Montréal unter der Leitung von Rafael Payare präsentiert mit seiner brandneuen Aufnahme für das Label Pentatone eine Zusammenstellung zweier Meisterwerke des Fin-de-Siècle: Richard Strauss‘ „Ein Heldenleben“ und die Rückert-Lieder von Gustav Mahler, interpretiert von der Sopranistin Sonya Yoncheva. Die Paarung dieser Werke mag auf den ersten Blick ungewöhnlich erscheinen, da Strauss mit seinem kraftvollen Ausdruck und Mahler mit seiner intimen Tiefgründigkeit zwei unterschiedliche Pole des spätromantischen Repertoires repräsentieren. Doch in ihrer gemeinsamen Betrachtung offenbaren sie einen zutiefst persönlichen und autobiografischen Ansatz, der die Reflexion über das Leben und die menschliche Existenz in den Mittelpunkt stellt. Richard Strauss komponierte „Ein Heldenleben“ im Jahr 1898. Das Werk wurde als sinfonische Dichtung geschrieben und ist eine musikalische Darstellung des Lebens eines Helden, der viele Herausforderungen und Triumphe erlebt. Es wird oft angenommen, dass Strauss in seiner Autobiografie einige persönliche Elemente einfließen ließ, was dem Werk eine zusätzliche persönliche Note verleiht. Strauss verwendet ein großes Orchester und eine komplexe musikalische Sprache, um die verschiedenen Aspekte des Heldenlebens zu porträtieren. Die Musik ist reich an dynamischen Kontrasten, farbenfrohen Orchestrierungen und melodischen Themen, die sich über das Werk hinweg entwickeln. Besonders eindrücklich sind das ausgedehnte Violin-Solo und die Fernmusiken auf der „Walstatt“. Rafael Payare und das Orchester Symphonie de Montréal beweisen erneut ihre außergewöhnliche Virtuosität und Sensibilität in der Interpretation dieses bedeutenden Werks. Besonders hervorzuheben ist ihre mitreißende Darbietung von Strauss‘ „Ein Heldenleben“, die durch ihre lebendige Farbigkeit und dynamische Gestaltung besticht. Payares zupackende Leitung verleiht dem Werk eine Vitalität und Dynamik. Jedoch, trotz der herausragenden Leistung des Orchesters und seines Dirigenten, bleibt ein deutlicher Wermutstropfen bei den Rückert-Liedern von Gustav Mahler. Gustav Mahler komponierte die Rückert-Lieder zwischen 1901 und 1902. Das Werk besteht aus fünf Liedern, die auf Gedichten von Friedrich Rückert basieren. Die Lieder sind eine Hommage an die lyrischen Texte Rückerts, die eine Vielzahl von Themen behandeln, darunter Liebe, Verlust und Spiritualität. Mahler verwendet eine reiche Harmonik und eine vielschichtige Orchestrierung, um die tiefe emotionale Bandbreite der Texte einzufangen. Seine Musik ist oft introspektiv und lyrisch, wobei Mahler subtile Nuancen in der Instrumentation verwendet, um die poetischen Bilder der Texte zu unterstützen. Die Entscheidung, Sonya Yoncheva für diese Aufnahme zu engagieren, erscheint aufgrund ihrer weltweiten Reputation in der Opernwelt als vielversprechend, erweist sich aber dann bedauerlicherweise als veritable Fehlbesetzung. Ihr Vortrag ist äußerst enttäuschend. Das reichlich vorhandene Vibrato und ihre mäßige Textverständlichkeit tragen dazu bei, dass ihre Interpretation der tiefgründigen Texte von Rückert nicht die emotionale Tiefe und das Verständnis erreicht, die sie verdienen. Stattdessen wirkt ihr Gesang akademisch und distanziert, ohne die authentische Gefühlswelt der Lieder zu vermitteln. Stilistisch klingt das eher nach aufgesetztem Verismo, bei dem Mahlers Genie auf der Strecke bleibt. Fans der Sängerin kommen sicherlich auf ihre Kosten, nur hat Yonchevas Vortrag so gar nichts mit Mahlers vieldeutiger Gefühlswelt zu tun. Dies ist umso bedauerlich, da Payare und sein Orchester sie vorbildlich, farbig begleiten. Trotz dieser Kritikpunkte bleibt die Aufnahme insgesamt eine spannende künstlerische Aussage. Die einzigartige Paarung der Werke von Strauss und Mahler bietet einen faszinierenden Einblick in die Vielfalt und Komplexität der spätromantischen Musik. Und obwohl Sonya Yonchevas Interpretation der Rückert-Lieder nicht überzeugt, bietet die Gesamtleistung des Orchesters und die mitreißende Darbietung von „Ein Heldenleben“ einen Hörgenuss. In der vorliegenden Aufnahme wird die Brillanz der Pentatone-Aufnahmetechnik wieder einmal deutlich hervorgehoben. Jeder Nuance des Orchesters, von den leisesten Streicherpassagen bis hin zu den mächtigen Bläserfanfaren, wird mit Klarheit und Präzision eingefangen. Die räumliche Tiefe und das natürliche Klangbild tragen dazu bei, die dynamischen und klanglichen Feinheiten dieser Kompositionen vollständig zur Geltung zu bringen. Die Aufnahmetechniker von Pentatone haben es geschafft, die emotionale Intensität und die klangliche Vielfalt der Musik auf beeindruckende Weise einzufangen, was die Hörer in ein fesselndes Hörerlebnis eintauchen lässt.

Dirk Schauß, im März 2024


Richard Strauss: Ein Heldenleben
Gustav Mahler: Rückert-Lieder

Sonya Yoncheva, Sopran
Orchestre Symphonie de Montréa
Rafael Payare, Leitung

Pentatone, 5187 201