Die 2018 entstandene Produktion von Davide Livermore (Regie), Livermore und Giò Forma (Bühne), sowie Gianluca Falaschi (Kostüme) hatte schon damals nicht mein ungeteiltes Entzücken erregt. Livermores Fixierung auf die Filmproduktion, deren großer Kenner er ist, führt den Zuschauer unter dem Aufhänger, dass die Oper in Rom spielt, nach Cinecittà, wo in den Fünfzigerjahren des vorigen Jahrhunderts Durchschnittsware für den Massengeschmack ebenso entstand wie etwa künstlerisch Hochstehendes von Federico Fellini.
Auch der Hauptbahnhof von Rom spielt eine Rolle, war er doch in einem Tränendrüsendrücker wie „Roma – Stazione Termini“ mit Montgomery Clift und Jennifer Jones damals ein großer Erfolg. Abgesehen davon, dass sich natürlich ständig etwas tut und von den Sängern, die gerade ihre wichtigste Arie interpretieren, ablenkt (das gilt für Norinas „So anch’io la virtù magica“ und noch viel mehr für Ernestos so schwieriges „Cercherò lontana terra“), finde ich es unverzeihlich, dass das von den Autoren in einem Garten gedachte Liebesduett Ernesto/Norina in einer abgefuckten Peripherie stattfindet, in der Nähe von nach Kunden Ausschau haltenden Prostituierten. Zu bemäkeln wäre auch, dass für ein szenisch relativ einfach zu bewältigendes Werk viel technischer Aufwand wie der Einsatz der Drehbühne und von Laufbändern getrieben wurde. Da versteht sich von selbst, dass die Ouvertüre natürlich illustriert werden musste und zeigte, wie Pasquales Mutter in jedem Lebensalter ihres Sohnes seine Verbindung zu einer weiblichen Person zu verhindern gewusst hatte. Aber dachte ihn das Libretto nicht als Hagestolz, der auf seine alten Tage Frühlingsgefühle entwickelt?
Von der seinerzeitigen Besetzung waren Ambrogio Maestri in der Titelrolle und Mattia Olivieri als Malatesta geblieben. Ersterer schien (zumindest an diesem Abend) nicht alle seine stimmlichen Mittel ausschöpfen zu können, was er aber mit einem diesmal sehr differenzierten Spiel wettmachte. Letzterer führte seine und Norinas Ränke mit beweglich schmiegsamem Bariton und überzeugendem Auftreten zum Erfolg. Die Vertreter von Norina und Ernesto, Lawrence Brownlee und Andrea Carroll, vermochten sich im großen Saal mit seiner nicht immer glücklichen Akustik nur teilweise durchzusetzen. Gelang es ihnen, da technisch gefestigt, ihren Arien noch Nachdruck zu verleihen, so gingen sie in den Ensembles gnadenlos unter, und da konnte das adrette Spiel der beiden auch nichts mehr retten. Köstlich wieder der Notar von Andrea Porta, obwohl sein stummes Spiel einmal mehr von den Geschehnissen auf der Bühne ablenkte.
Tadellos wie im Grunde immer der Chor des Hauses unter der Leitung von Alberto Malazzi. Als Dirigent war Evelino Pidò verpflichtet worden, ein Spezialist des Belcantorepertoires und besonders dieser Oper, der sich aber nicht immer gegen das wiederholt recht lustlos klingende Orchester des Hauses durchzusetzen vermochte.
Im Publikum waren gefühlte 90% Touristen vertreten, die sich zu amüsieren schienen, aber der Applaus reichte nicht, um eine Wiederholung des Duetts Pasquale/Malatesta mit seinem zungenbrecherischen sillabato zu bewirken.
Eva Pleus, 26. Mai 2024
Don Pasquale
Gaetano Donizetti
Teatro alla Scala, Mailand
17. Mai 2024
Inszenierung: Davide Livermore
Musikalische Leitung: Evelino Pidò
Orchestra del Teatro alla Scala