In seiner ersten Opera seria, die Mozart als 14-Jähriger komponierte, zeichnet er vor allem das Innenleben der Figuren mit seinem bereits so früh entwickelten musikdramatischen Gespür nach und überschritt damit zugleich die strenge Form dieser Gattung. Die Oper Mitridate, Re di Ponto, wurde bei den Salzburger Festspielen 2025 in semiszenischer Form als Mozart-Soiree ins Programm genommen, aufbauend auf der Tradition der Mozart-Konzerte der Wiener Philharmoniker und des Mozarteumorchesters bis in die 1990er Jahre, die wiederum auf den bereits 1921 von Bernhard Paumgartner eingeführten Serenaden aufbauten. Ádám Fischer hält die Opera seria aus heutiger Sicht nicht für eine Oper, sondern für ein Zwitterwesen zwischen Oper und Konzert. Dieses Profil werde gerade von Mitridate, Re di Ponto, erfüllt, der mit seiner Abfolge von Rezitativen und Arien ohne große Ensembles auskommt. Wichtig sei klarzumachen, dass während der Arien die Zeit stillsteht und hier die Sänger ihr Innerstes sowie ihre Emotionen preisgeben – die Veranstaltung werde zum Konzert.

Und dazu passte das semiszenische Format, in dem man Mitridate an diesem Abend im Haus für Mozart aufführte. Das Orchester stand mit dem von Studienleiter Rupert Burleigh gespielten Hammerklavier auf der Bühne und wurde so in gewisser Weise Teil des szenischen Gesamtbildes mit einem großen goldenen Thron im Hintergrund. Um dieses Symbol absoluter Macht und der zu seiner Besteigung oft geführten Machtspiele und Kriege geht es ja thematisch bei den Salzburger Festspielen 2025. Die Begegnungen der handelnden Personen, also der Sängerdarsteller, geschahen um das Orchester herum. Selbst Maestro Ádám Fischer ließ es sich nicht nehmen, bisweilen humorvoll leicht an deren Aktionen teilzunehmen. Er schien am Pult des einmal mehr seine ausgezeichnete Mozartkompetenz offenbarenden Mozarteumorchesters ohnehin so etwas wie seinen dritten Frühling zu erleben, so engagiert und lebhaft dirigierte er das Ensemble und ging auf die Sänger ein. Die facettenreichen Farben der Partitur des jungen Mozart, gerade auch mit ihrer dramatischen Kraft, kamen bestens und eindrucksvoll zu Gehör.
Birgit Kajtna-Wönig schuf eine dezente szenische Einstudierung, die ihre Schwerpunkte in einer hervorragenden Personenregie hatte und mit mehreren von Mara Wild gestalteten Texttafeln und passend szenenbezogenen Videos harmonierte. Bernadette Salzmann schuf Kostüme im Design unserer Tage, was die ganze Handlung noch mehr für die Situation der heutigen Welt relevant erschienen ließ. Vorrangiges Ziel von Kajtna-Wönig war es, die Figuren in ihrer Authentizität zu zeigen, wobei die Arien natürlich wesentlich sind, ihrer Meinung nach aber die Koloraturen – ein Markenzeichen der Opera seria – nicht nur vokale Virtuosität bieten, sondern vor allem Ausdruck innerster Gefühle sind. Der Zuseher solle gewissermaßen als Voyeur einen intimen Einblick in den seelischen Zustand einer Figur erhalten.

© SF/Marco Borrelli
Ein exzellentes Sänger-Ensemble wusste diese Vorgaben nicht nur mit einnehmendem darstellerischem Engagement, sondern auch stimmlich erstklassig und das Publikum begeisternd umzusetzen. Allen voran die drei Damen Sara Blanch als Aspasia, Elsa Dreisig als Sifare und Julie Roset als Ismene. Nach ihrer begeisternden Zerbinetta in Wien im Januar und ihrer ebenso beeindruckenden Musetta in Torre del Lago im Juli war die katalanische Sängerin Sara Blanch nun auch eine hervorragende Aspasia, Verlobte des Mitridate und gleichzeitig von seinen Söhnen Sifare (Hosenrolle) und Farnace begehrt. Damit stand Blanch im Mittelpunkt des Dramas und füllte diese zentrale Funktion nicht nur schauspielerisch mit ihrem großen Bühnentalent, sondern auch stimmlich facettenreich mit ihrem herrlichen Koloratursopran aus. Ähnlich eindrucksvoll gab Elsa Dreisig den Sifare mit ihrem ebenso klangschönen Sopran und stimmlicher Gestaltungsvielfalt. Darstellerisch war sie aufgrund des Rollenprofils etwas zurückhaltend. Das große Duett mit Aspasia wurde zu einem Höhepunkt des Abends. Julie Roset sang zum Schluss mit viel Herz eine wundervolle Arie, ebenfalls ein ganz großes Talent. Der samoanische Tenor Pene Pati gab den Mitridate mit großer Souveränität und auch diktatorischer Autorität mit kraftvollem Tenor, aber nicht immer ganz stabilen Höhen. Paul-Antoine Bénos-Djian war ein lyrisch klangvoll intonierender Countertenor als Farnace, und Iurii Iushkevich gab mit ebenfalls sehr gutem Countertenor die kleine Rolle des Arbate. Seungwoo Simon Yang sang den Unruhe stiftenden Römer Marzio mit kraftvollem Tenor.

© SF/Marco Borrelli
Es war eine beeindruckende Wiederbegegnung mit dieser Frühoper Mozarts bei den Salzburger Festspielen!
Klaus Billand, 8. August 2025
Mitridate, Re di Ponto
Wolfgang Amadeus Mozart
Salzburger Festspiele
Besuchte Premiere am 4. August 2025
Inszenierung: Birgit Kajtna-Wönig
Musikalische Leitung: Ádám Fischer
Mozarteumorchester