Bayreuth: „Lebenslänglich frohlocken“, Silke Aichhorn und Lisa Wellisch

Frohlocken, Frohlocken – dieser Ausruf aus dem Münchner im Himmel fällt einem ein, wenn man den Titel der Veranstaltung Lebenslänglich frohlocken liest, aber sie reizt höchstens zum Lächeln und Lachen, nicht zum Ablästern über irgendwelche altbairischen engelischen Sitten. Von Weihnachten, dem Fest des Lichts, erzählt Silke Aichhorn aber auch: Wie sie einmal mit Jonas Kaufmann in einer eiskalten Kirche eine TV-Aufnahme zu einer musikalischen Weihnachtssendung überlebte.

Es wird überhaupt viel erzählt und gelacht in diesem durchaus unklassischen Vermittlungskonzert, das einem Publikum angekündigt wird, das den Europasaal des Zentrums nicht ganz füllt. In Hamburg waren sie im kleinen Saal der Elbphilharmonie zu Gast, und auch hier finden sie Besucher vor, die die Mischung aus Musik und Wort zu schätzen wissen. Lisa Wellisch und Silke Aichhorn, Klavier und Harfe: die Kombination stimmt einfach. Lisa Wellisch zitiert auswendig aus den Briefen Mozarts und den Tagebüchern Schumanns, sie erzählt unsterbliche Anekdoten, etwa über Rossini (und sie spielt Liszts handbrecherische La Danza-Bearbeitung mit Verve), sie plaudert sich äußerst amüsant durch den Abend, um die Hintergründe, das Menschlich-Allzumenschliche der Komponisten zu beleuchten, deren Meisterwerke wir in meisterhaften Interpretationen hören dürfen. Klavier und Harfe, das klingt zusammen so vollkommen, dass man sich unwillkürlich fragt, wieso diese Kombination im Konzertleben so selten begegnet. Es liegt sich nicht an den Formaten der Instrumente, auch wenn Silke Aichhorn köstliche Geschichten, auch Reisegeschichten zum Besten gibt; mit derart auffallenden Instrumenten kann man und frau ja nur Skurriles erleben – wenn man mal vergisst, dass der edle, helle sound des Zupfinstruments so wenig skurril ist wie Schumanns Klavier-Arabeske.

Foto © Privat

Smetanas Moldau für Harfe solo – man hat das vielleicht schon mal gehört, wenn man eine der zahlreichen CDs der bekannten Harfenistin gehört oder eines ihrer Konzerte besucht hat. Offenbachs Barcarolle für Harfe und Klavier, Mendelssohns The Evening Bell – eine vier Minuten kurze Delikatesse – für Klavier und Harfe, die zusammen glockenhaft tönen: schon diese „Nummern“ lohnen den Besuch. Wellisch deutet den ersten Satz der Mozart-Sonate  KV 332 als Entwurf zu einer „kleinen Oper“, man hört das tatsächlich alles: das „unschuldige“ Hirtenmädchen, die strenge Mutter und den anbetenden Jüngling, und Aichhorn variiert mit Fazil Says Alla Turca den Türkischen Marsch: als Jazz-Solo. Den offiziellen Höhe- und Schlusspunkt aber macht, getreu dem Motto „Soll Dir  in Bayreuth was gelingen, / musst du es mit Wagner bringen“, des „Walzermachers“ (O-Ton Wagner) Richard Wagners Züricher Vielliebchenwalzer WWV 88 – als Duo. Man hört das kleine, zauberhafte Stück – und denkt: Wagner hat’s offensichtlich ursprünglich für Klavier und Harfe geschrieben. Wellisch und Aichhorn haben sich das Stück eingerichtet und wechseln sich in der Führung der Melodiestimme beständig ab; es ist schlicht zauberhaft.

Der Höhepunkt aber ist, paradox gesagt, eine Kette von leuchtenden Episoden in auch mal bardenmäßigem Ton und witzigem Wort. Wie man quasi barrierefrei, bei freiem Eintritt (Spende erwünscht), den Besuchern die schönsten bekannten und unbekannten Stücke nahebringt, wie man durch die beiden stilsicheren Musikerinnen etwas über die Harfe und durchaus nicht im Nebenbei Relevantes aus dem Leben der damaligen und lebenden Komponisten und Musikerinnen erfährt: das hat Klasse. Und mit Brahms’ berühmtestem Walzer kann man, als Zugabenstück gespielt, ja eh nichts falsch machen.

Frank Piontek, 8. August 2025


Silke Aichhorn & Lisa Wellisch:
Lebenslänglich frohlocken

Festival junger Künstler

Das Zentrum, Internationales Jugendkulturzentrum Bayreuth

7. August 2025