Bayreuth: „Versunkene Schätze“, Festival junger Künstler Bayreuth

Die Kirche ist wieder voll – rappelvoll. Auch der OB ist da, das hat was zu sagen.

Sissy Thammer nennt’s „eines der wichtigsten Konzerte des Jubiläumsfestivals 2025, oder kürzer: „Emotion pur“. Denn wieder trifft man den Geschmack des Publikums, wenn Trompeter auf eine Orgel, ein Streichsextett auf einen Sopran und Altes auf Neues stößt. Man nennt’s: Versunkene Schätze – und man hebt sie, im Fall von Fredrik Schwenks Hver, zum ersten Mal. Mit Hver schrieb der künstlerische Leiter des Festivals einen Liederzyklus nach Gedichten des 1932 verstorbenen Isländers Jóhann Jónsson: Texte, die, so der Waschzettel des Programms, „um „Vergänglichkeit, Tod und die verlorene Tiefe des Lebens, das einst von Träumen und Wundern erfüllt war“, kreisen. Schwenk bezeichnet sich selbst, in leichter Ironie und auf seine Kompositionstechnik bezogen, als „Bellini unter den (neuen) Komponisten“ – es stimmt: Camilla Nylunds Stimme schwebt über den Stimmen der Streicher, die auch mal, in einem lyrischen Satz, im Neunachteltakt sanft hin- und herwiegen. Dass das Konzert mit der Uraufführung stattfinden konnte, verdankt sich dem überaus freundlichen Entgegenkommen des Primgeigers Juraj Cizmarovic, der ein alter Freund des Festivals ist und sich als einer der Konzertmeister der Bayreuther Festspiele um die weiteren fünf Streicher kümmerte. Dazu kam Otto Sauter, der mit dem World Brass Association Student Trumpet Ensemble für den Bläserklang dieses Abends sorgt und mit seiner Piccolo-Trompete dem Sextett gestopfte Töne aufsetzt. Hat man so eine Besetzung schon einmal gehört? Vermutlich nicht. Die Besucherinnen und Besucher sind’s zufrieden – und geben dem neuen Stück und seinen Interpretinnen und Interpreten kräftigen Beifall.

© Olga Gassan

Die Sonne fiel ja schon vorher schräg in die Kirche. Die Trompete blitzt durch die Baluster der zweiten Empore, als Iskander Akhmadullin Juraj Filas’ Adagio bläst: vollrund und gold. Am Ende werden neun Musiker dort oben stehen und eine Trompeten- plus Orgel-Fassung der Zwischenaktmusik aus dem dritten Lohengrin-Akt zum Besten geben. Der Beifall für diese perfekte Performance ist denn so intensiv, dass eine Zugabe drin ist: leider nicht der mitreißende Lohengrin-Auszug, aber einem die Gemüter wieder beruhigenden Adagio. Variatio delectat. Mit dem seidenweich gespielten Dumka-Satz aus Dvoraks Streichsextett op. 48, Johann Ernst Altenburgs barockem Konzert für 7 Trompeten (hier gespielt von neun Musikern), einem köstlichen Gusto-Stück in drei Stückchen und mit dem Schwenk – mit seinen Glissandi und den schillernden Harmonien ein Werk der Neuen Musik, doch definitiv keinem Hurz! – hat man die verschiedensten Geschmäcker getroffen: auf hohem Niveau; darauf kommt’s an. Und wenn vor dem Lohengrin-Intermezzo noch Alan Hovhaness’ Gebet an St. Gregor erklingt (wieder ein in jedem Sinne glänzend geblasenes Solo mit Orgel), erweist man auch dem Kirchengeist die nötige Ehre. Und zitiert Altenburgs Konzert nicht Händels Halleluja?

Langer, äußerst freundlicher Beifall für einen originell wie stimmig konzipierten und gemachten Konzertabend, der mit seiner Diversität die ersten 75 Jahre des Festivals angenehm blendend gut repräsentierte – blendend wie der Klang und der Schein der Trompete, das traditionelle Instrument der Allegorie des Ruhms…

Frank Piontek, 13. August 2025


Versunkene Schätze
Festival junger Künstler Bayreuth

Ordenskirche

12. August 2025