Mit dieser Produktion gelang dem offiziell in Wien ansäßigen Verein Operaprima Wien der bisher größte Coup in der nun bereits achten Saison von Oper in Friaul, seit 2020 im Hof der Villa Gradenigo Sabbatini, aus dem späten 19.Jahrhundert stammende ehemalige landwirtschaftliche Schule. Hatte man als langjähriger Besucher der Aufführungen etwa von „L`elisir d`amore“ oder „Ernani“ und „Il trovatore“ Bedenken, ob man sich mit diesem Schwanengesang von Puccini nicht ein wenig „überhebt“, so wurde man eines Besseren belehrt: „Turandot“ wurde die bisher überzeugendste Realisation bei diesem kleinem, aber feinen Opernfestival – nur 90 km von der Kärntner Grenze entfernt.
Warum gerade Oper in Pozzuolo del Friuli? Diese Frage stellt sich naturgemäß – ist aber leicht zu beantworten, da der spritus rector, Betreiber, Erfinder, Organisator und Dirigent des ganzen Unternehmens, der in Wien lebende Tiziano Duca ( in Erinnerung seine „opernwerstatt“- Aufführungen in der Wiener Roßauer-Kaserne – von“Attila“ , „Ernani“ , „Il corsaro“ bis „Edgar“) aus Pozzuolo stammt und dieses Festival in seinem Heimatort gestartet hatte.
Neben dem künstlerischen „Wunder“ bedurfte es ebenso eines solchen „meteorologischem“, da die Wettervorhersage katastrophal war, und wohl kaum einer noch am Tag davor von der Durchführung des Abends zu träumen wagte! Aber es kam schlußendlich ganz anders, und die noch am selben Tag (!!) von den Wetter-Apps vorhergesagten, sintflutartigen Regenfällen blieben völlig aus – wobei im gar nicht so weit entfernten Treviso hühnereigroße Hagelschloten fielen und noch weiter Richtung Westen am Gardasee Bäume umstürzten und ähnliches mehr. Bis auf ein beeindruckendes Wetterleuchten ließ Petrus Gnade walten – und das war gut so!

Nun war das Gebäude wiederum gut in die Szenerie eingebunden, die – neue – rote Farbe der Fenster paßte da exakt zu den chinesischen Elementen des einfachen, aber stimmungsvollen und zweckmäßigen Bühnenbildes (Bozzetti di scena: Paola Bellaminutti). Die bunten, kleidsamen Kostüme trugen zum optisch positiven Gesamteindruck bei. Francesca Mazzilli führte in diesem Rahmen eine werkgetreue, das Märchen gut verständlich nacherzählende Regie ohne unnützen „neuen“ Ideen! Das ist durchaus als Kompliment gemeint!
Als tragendes, musikalisches Fundament war das gegenüber den Vorjahren stark verbesserte Orchester „Operaprima-Wien“ bestens disponiert! Auffällig viele junge Leute waren darin vertreten, die die klare Zeichengebung von Maestro Duca wunderbar umsetzten und die anspruchsvolle Partitur des Meisters aus Lucca überzeugend umsetzten! Ein Sonderlob muß dem Chor „Operaprima-Wien“ gezollt werden! Das Besondere daran: 90 % stammen aus dem Ort selbst, sind Laien, die seit Februar (!) jede Woche mit Begeisterung geprobt hatten, und denen man die Spielfreude regelrecht anmerkte und die absolut gut gesungen haben! Die Chorleiterin Sabina Arrù und Maestro Duca haben da wirklich ganze Arbeit geleistet. Leider nicht namentlich genannt im sonst exzellent gestalteten Programmheft die beiden Mägde – Francesca Berton und Marina Spessot, die mit schönen Stimmen auffallen konnten! Auch der Kinderchor – der mit den weißen Kleidern mit den roten Streifen an frühere Ministranten Kleider erinnerte – war auf hohem Niveau mit von der Partie…
Das große Paar Turandot – Calaf war schon im Vorjahr als Santuzza und Turiddu im Einsatz gewesen! Die in Palermo lebende Ungarin Nati Katai verließ sich nicht nur auf Stentor-Töne, sondern versuchte der „eisumgürteten“ Prinzessin auch stimmlich menschliche Züge zu verleihen – was gut gelungen ist. Der in vielen Opernschlachten rund um den Erdball erfolgreiche Gustavo Porta war der überzeugende Calaf – inclusive nicht geschriebenem, aber der Tradition geschuldetem „hohen C“ in der Rätselszene. Etwas zaghaft begann die blutjunge Gesua Gallifoco die Liu, steigerte sich aber konstant und ließ einige schöne Phrasen hören. Diego Maffezzoni war mit üppigem Baß der greise und darstellerisch imposante Timur, aufhorchen ließ gleich zu Beginn Maksim Vartazaryan als Mandarin mit sehr präsentem, kernigem Bariton – diese Rolle wurde geteilt, im zweiten Akt kam Fang Yong Liang, ebenfalls erfolgreich, darin zum Einsatz. Weltklasse war das Trio Ping – Pong –Pang – es könnte an jedem großen Opernhaus rund um den Erdball reüssieren! Zur Stimmqualität kam auch eine perfekte musikalisch genaue Umsetzung und ein nie übertriebenes, doch sehr dezent humorvolles Spiel! Der Mailänder Bariton Giovanni Romeo debütierte als Pang – er war in „Il turco in Italia“ mit Cecilia Bartoli auch schon an der Wiener Staatsoper im Einsatz – mit rundem, prägnantem Bariton mit klarer Diktion. Diese kann auch seinen beiden Tenor-Kollegen aus Belgrad bescheinigt werden – Sinisa Radin und Mladen Prodan – des Weiteren sehr angenehmes Timbre und ausgezeichnete Technik! Als Kaiser Altoum steuerte Alexander Gallee mit prägnantem Tenor souverän seine wichtigen Phrasen im zweiten Akt bei.
Ein wirklich runder, gelungener Abend an einem herrlichen Platz der leider viel zu oft unterschätzten Region Friaul erhielt den verdienten, heftigen Applaus des Publikums! Noch steht das Werk im nächsten Jahr noch nicht fest – ein Besuch in der so nahen Region um Udine kann durchaus empfohlen werden!
Michael Tanzler, 7. September 2025
Turandot
Giacomo Puccini
Friaul, Pozzuolo del Friuli, Villa Gradenigo Sabbatini
29. August 2025
Regie: Francesca Mazzilli
Orchester „Operaprima-Wien“