Ein Publikumserfolg
Als „fröhliche Mischung“ aller möglichen künstlerischen Inhalte und Formen, denn „auch thematisch wollten wir nichts ausschließen“, sieht Detlev Glanert seine „Familienoper“ Die drei Rätsel an, die Gozzis, Schillers, Puccinis und anderer Werk von der eisgegürteten Prinzessin familien- und zeittauglich machen wollte und die Geschichte erst einmal dadurch auf den Kopf stellt, dass der Prinz (hier nicht mehr standesgemäß ein Junge aus Familie mit alleinerziehender Mutter) die Fragen an die Prinzessin stellt. Diese muss ihn heiraten, wenn sie die Fragen nicht beantworten kann. Er jedoch muss sterben, wenn die Rätsel gelöst werden. Auch insofern entfernt sich Librettist Carlo Pasquini, übersetzt von Erdmuthe Brand von Turandot, als nicht mehr „die Hoffnung“, „das Blut“, „die Prinzessin selbst“ die Lösung der Rätsel darstellen, sondern „Mutter“ (und ihr Kuchen), „Schuhe“ und „Sarg“ zu erraten sind, ersterer in doppelter Bedeutung eine Rolle spielt, indem das Gebäck, das Mutter Popa dazu bestimmt hat, ihren Sohn aus dem Leben zu befördern, von einem den Jungen attackierendem Wildschwein mit Todesfolge gefressen wird, ihm also das Leben rettet. Eher in die Richtung einer bunten Show mit allerlei tierischen und menschlichen Daseinsformen als in die eines geradlinig erzählten Märchens bewegt sich das Werk, das im Rahmen der seit 1976 auf Initiative von Hans Werner Henze alljährlich im toskanischen Montepulciano stattfindenden Cantiere Internazionale d‘Arte in italienischer Sprache uraufgeführt wurde, 2003 in Halle seine deutsche Erstaufführung erlebte und 2011 in einer überarbeiteten Fassung in Köln zu sehen und hören war. Vergleicht man mit den Aufführungszahlen mit denen von Turandot in den Zwanzigern des vergangenen Jahrhunderts und bedenkt man, dass die in Berlin als Riesenerfolg gefeierte Oceane des Komponisten inzwischen kaum nachgespielt wurde (immerhin in Bremerhaven), erhebt sich wieder einmal die Frage, ob die Gattung Oper nicht längst ins Museum gehört und dort gehegt und gepflegt werden sollte wie ein Rembrandt oder Leonardo, statt an ihr herumzupinseln oder sie in neue Rahmen zu zwingen. Aber das ist ein weites Feld, wie der Oceane-Dichter Theodor Fontane an anderer Stelle vom alten Briest sagen lässt.

Die drei Rätsel als Märchenoper zu bezeichnen, wäre zudem fragwürdig, da sich viel eher die Begriffe Roadmovie, Sozialdrama, Entwicklungsroman, ja, auch Märchen in den Vordergrund drängen. Als Kinderoper gehen das Werk durch die Medien, als „eine Oper von Kindern für Kinder von 8 bis 80“ will der Komponist sein Werk verstanden wissen. So wirr und verworren die dem Werk zu Grunde liegende Idee ist, so unentschieden zwischen den Gattungen lavierend, so unterschiedlich fällt auch die Umsetzung auf der Bühne aus und zeigt sich dadurch wiederum als konsequent. Die Prinzessin Scharada und der Junge Lasso sind mit Kindern besetzt, da sie nach Willen ihrer Schöpfer Kinder sind, allerdings, wie die Formulierung der Rätsel, der frühe Vermählungswunsch und vieles andere beweisen, sehr altkluge Kinder. Der der Figur Liù nachempfundene Galgenvogel indessen, der allen Folterdrohungen widersteht, ist ein Erwachsener. Bunt gemischt und zwischen Hoch-,Umgangs-, Gossen- und allen möglichen sonstigen Sprachen ist der oft peinliche Text.

Nicht nur auf der Bühne, sondern auch im Orchestergraben wirken Kinder mit, allerdings unter Einbeziehung des Orff-Spielwerks und zum Beispiel, was die Streicher betrifft, sich auf eine Lage beschränkend. Wenn Kinder und Jugendliche nicht nur konsumierende Zuschauer und -hörer sind, ist das sicherlich aus vollem Herzen zu begrüßen, gerade angesichts der bedauerlichen Tatsache, dass in den Schulen Musikunterricht gar nicht mehr oder sehr eingeschränkt stattfindet. Das Mitwirken von Schülern mehrerer Berliner Schulen war sicherlich auch ein Grund für den nicht enden wollenden Applaus nach Schluss der Vorstellung.
Wenn der Abend ein voller Erfolg wurde, dann ist das nicht dem Stück, sondern der Aufführung zu verdanken. Brigitte Dethier führt die jungen Darsteller behutsam durch die Handlung und überlässt den Erwachsenen das Krude, das Lächerliche, das Drastische. Überbordend an Phantasie und treffend charakterisierend sind die Kostüme von Carolin Mittler, der ein Sonderlob für die wunderschöne Muschel gebührt, in die sich der Gefährte des Helden am Schluss zurückzieht. Die Bühne ist nicht aufwändig, aber zweckmäßig für schnellen Szenenwechsel gestaltet.

Bewundernswert sind die Leistungen der beiden Zwölfjährigen, die das „Liebes“paar singen und spielen. Lampenfieber merkt man Emil Vandersee und Milla Luisa Dell’Anna nicht an, die natürlich-zarten Stimmen klingen hell, klar und sich einschmeichelnd, sogar recht textverständlich und auch ihr Spiel wirkt unbefangen natürlich.
Chance Jonas-O`Toole gibt sympathisch und korrekt den Freund Galgenvogel und dazu noch den Postboten. Martina Baroni, eigentlich Belcanto-Stipendiatin, ist sich nicht zu schade für das Wildschwein, darf aber auch die Mutter Popa singen und das gut. Philipp Jekal ist der stimmgewaltige König Zephalus, und Alexandra Oomens gibt die in jeder Hinsicht attraktiv-komische Hofdame. Sehr komisch sind auch Joel Allison und Byung Gil Kim in unterschiedlichen Partien. Christian Lindhorst brachte das Wunder zustande, die Chormitglieder unterschiedlichster Herkunft aus professionellen und Laienchören zu einem wohltönenden Klangkörper zu formieren. Dominic Limburg gelang das Gleiche mit dem verstärkten Orchester der Deutschen Oper, so dass dieses zu Recht auch den tatsächlich tosenden Beifall des Publikums auf der Bühne entgegennehmen durfte.

Was aber gefiel Emilia, 10 Jahre, besonders? Das Auftreten des Chors zu beiden Seiten der Bühne hinter einem Sternenvorhang, aber es missfiel ihr, dass die Texte über der Bühne zu lang waren und zu schnell wechselten, als dass man ihnen hätte folgen können.
Ingrid Wanja, 11. Oktober 2025
Die drei Rätsel
Detlev Glanert
Deutsche Oper Berlin
Premiere am 11. Oktober 2025
Inszenierung: Brigitte Dethier
Musikalische Leitung: Dominic Limburg
Chor und Orchester der Deutschen Oper Berlin und verschiedener Berliner Chöre und Orchester