
Das Aalto-Theater ist auf dem Weg der Besserung. Nachdem das Publikum bei der Saisoneröffnung mit Rigoletto Regieteam und Sänger feierte, kommt auch Wiener Blut beim Publikum bestens an. Zu sehen ist ein gelungener Operettenabend, der schon im Sommer im Schönbrunner Schlosstheater Premiere hatte und jetzt an das Essener Aalto-Opernhaus übernommen wurde.
Regisseur Nikolaus Habajan kennt man im Ruhrgebiet vor allem durch seine Inszenierungen mit Puppen, so die Dortmunder „Entführung aus dem Serail“ und „Die Zauberflöte“. Bei „Wiener Blut“ kommt er aber ganz ohne Puppen aus, und Habajan zeigt wie gut er in der Führung von menschlichen Darstellern ist.
Die Geschichte um den leichtlebigen Grafen Balduin Zedlau, der zwar mit der Gräfin Gabriele verheiratet ist, aber eine Affäre mit der Tänzerin Franziska hat und auch noch der Probiermamsell Pepi hinterher steigt, welche die Freundin seines Dieners Josef ist, wird von Habajan kurzweilig und gut gelaunt auf die Bühne gebracht. Für zusätzliche Komik sorgt Premierminister Ypsheim-Gindelbach, der die Frauen des Grafen dauernd verwechselt.
Die Gesangsszenen sind munter aus dem Geist der Musik entwickelt. Die Dialoge wirken hier nie wie Füllmaterial zwischen den Arien und Ensembles, sondern machen Spaß, haben das richtige Tempo, wobei Akzente und Pointen gekonnt gesetzt sind. Die Kostüme von Denise Heschl geben sich manchmal ironisch, wenn die Schulterstücke überproportional vergrößert sind.
Sehenswert sind die Bühnenbilder von Heike Scheele. Die große Treppe im ersten Akt wird szenisch kaum gebraucht, macht aber Eindruck. Großartig ist der Ballsaal im 2. Akt. Hierfür liegt die Ansicht des Zuschauerraumes des Schönbrunner Schlosstheaters auf dem Bühnenboden und erscheint durch eine gekippte Spiegelfront als prachtvolle Kulisse hinter den Akteuren. Im 3. Akt gibt es mehrere von Efeu umrankte Lauben, als Treffpunkt für diverse Rendezvous.
Die Stimmen von Raffaela Lintl als Gräfin Gabriele und Mae Dettenborn als Tänzerin Franziska sind sehr ähnlich. Beide glänzen mit wohlklingenden lyrischen Sopranen und präsentieren sich als selbstbewusste Frauen, die sich eher aus sportlichem Ehrgeiz ohne große Eifersucht um den Grafen bemühen. Mercy Malielo ist als Pepi die dritte Frau im Leben des Grafen. Sie singt die Partie mit beschwingten Soubretten-Sopran.

Der Graf Balduin wird von Aljoscha Lennert mit farbenreich-fülligem Tenor gesungen. Einerseits gefällt die Stimme mit viel Schmelz, andererseits hat er manchmal im Piano Momente, in denen der Ton ins Schwimmen gerät. Boris Eder ist ebenfalls ein tenorstarker und gewitzter Diener Josef. Stefan Stoll singt den verwirrten Premierminister mit leichtem Spielbass. Schauspieler Franz Xaver Zach, den man in NRW aus seiner Zeit an den Schauspielhäusern in Oberhausen, Bochum und Düsseldorf kennt, setzt als Vater der Tänzerin Franziska gekonnt die Pointen.
Beschwingt bringt Tommaso Turchetta die Strauss-Partitur zum Klingen. Rasant jagen die Polkas, leicht tänzeln die Walzer daher. In den schnellen Gesangsnummern, in denen die Sänger viele kurze Töne singen müssen, geht die Textverständlichkeit aber oft verloren.
Durch einige misslungene Inszenierungen in der letzten Saison wie Die Zauberflöte und La Forza del Destino scheint das Essener Publikum dem Aalto-Theater immer noch skeptisch gegenüber zu stehen, denn die dritte Vorstellung von „Wiener Blut“ ist nur mittelmäßig besucht. Die Aufführung kommt beim Publikum aber bestens an, immer wieder gibt es Heiterkeit, Gelächter und sogar Applaus für Dialoge. Man kann also wieder ins Aalto-Theater gehen, zumal mit Turandot, La Traviata, Der Freischütz, Parsifal und Otello einige sehenswerte Produktionen aus dem Repertoire des Hauses gespielt werden. Vielleicht überlegt sich Intendantin Merle Fahrholz noch, ob sie ihren Vertrag nicht doch verlängern möchte?
Rudolf Hermes 9. November 2025
Wiener Blut
Johann Strauss
Aalto-Theater Essen
Premiere: 25. Oktober 2025
Besuchte Aufführung: 5. November 2025
Regie: Nikolaus Habajan
Musikalische Leitung: Tommaso Turchetta
Essener Philharmoniker