Anno Schreier
Uraufführung: 8. Dezember 2019
Als im Frühjahr Anno Schreiers Oper „Schade, dass sie eine Hure war“ im Februar 2019 in Düsseldorf uraufgeführt wurde, waren Publikum und Presse aufgrund des munteren Stilpluralismus der Musik ratlos: „Meint der Komponist das ernst?“, fragte man sich, und: „Warum braucht man ausgerechnet dieses Drama als Oper?“ Bei der Aachener Uraufführung von Schreiers „Der Zauberer von Oz“ stellen sich diese Fragen nicht, denn dieses Werk ist als eine „Oper für die ganze Familie“ konzipiert.
Am ehesten musste man sich vor der Premiere fragen, ob die Geschichte von Dorothys Reise durch das Land des Zauberers von Oz überhaupt eine Chance als Oper haben würde? Schließlich ist der Film mit Judy Garland ein Klassiker und Lieder wie „Somewhere over the rainbow“ und „Follow the yellow brick road“ sind untrennbar mit dem Stoff verbunden.
Schreiers Musik bringt jeden Zweifler schnell zum Verstummen, denn die Musik besitzt eine so starke Kraft und Sogwirkung, dass man die Film-Songs schnell vergisst. In seiner neuesten Partitur imitiert Schreier diverse Musikstile: Da gibt es drei geflügelte Affen, die mit Monteverdi-Madrigalen durch die Geschichte führen. Rosha Fotzhowle, Agata Kornaga und Julie Vercauteren präsentieren diese Stücke als sehr ausgewogene Ensemble-Gesänge.
Der Strohmann singt muntere Country-Songs mit Fiddle-Begleitung, die dann in knackige Tanzmusiken münden, die auch von Aaron Copland stammen könnten. Wenn sich der Blechmann im dunklen Wald fürchtet, lugen Humperdincks „Hänsel und Gretel“ musikalisch um die Ecke und die rechtsradikalen „Teutonen ohne Neuronen“ marschieren zu deutscher Volksmusik.
Werden im ersten Teil die einzelnen Charaktere ausführlich vorgestellt, so gewinnt die Geschichte nach der Pause an Fahrt. Librettist Alexander Jansen, der wie Anno Schreier aus Monschau stammt, hat hier die Geschichte etwas umgewandelt und gibt dem Publikum gleich eine Botschaft mit: „Du kannst Dein Leben und die Zukunft selbst gestalten, wenn Du dafür etwas tust!“
Das junge Publikum kann sich über die abwechslungsreiche und melodiöse Musik freuen, die zudem sehr textverständlich daherkommt. Die erfahrenen Opernbesucher dürfen raten, welchen Still Schreier da gerade kopiert. Aachens Generalmusikdirektor Christopher Ward betont den Farbenreichtum und den rhythmischen Pfiff der Partitur.
Abwechslungsreich und gut gelaunt ist auch die Inszenierung von Ute M. Engelhardt. Die Figuren werden genau geführt. Ausstatterin Jeannine Cleemen hat bunte, die Figuren genau charakterisierende Kostüme entworfen. Die leicht geneigte runde Spielfläche wird durch eine große Wand abgetrennt, wodurch geschmeidige Szenenwechsel möglich sind.
Die Premierenbesetzung ist solide, aber nicht überragend: Sopranistin Lisa Ströckens, die eigentlich als Zweitbesetzung vorgesehen war, muss für eine verletzte Kollegin einspringen und singt die Dorothy. Eigentlich liegt ihr die Rolle gut in der Stimme, an manchen Stellen wirkt ihr Gesang aber zu zaghaft. Über schöne Stimmen verfügen Patricio Arroyo, Fabio Lesuisse und Hyunhan Hwang als Vogelscheuche, Löwe und Blechmann. Die sängerisch stärkste Leistung vollbringt Woong-jo Choi, der mit wuchtigem Bass den Zauberer singt, der hier eine Sarastro-Parodie ist.
Das Publikum im ausverkauften Aachen Theater feiert die Interpreten die Produktion und die neue Oper mit einhelligem und achtminütigen Jubel. Opernhäuser, die diese Familienoper nicht nachspielen sind selber schuld!
Bilder (c) Wil van Iersel