Besuchte Aufführug: 23.03.13
Kann man ein blutrünstiges Drama wie John Websters „Die Herzogin von Malfi“ heute unkritisch als Oper vertonen? Das Werk des Shakespeare-Zeitgenossen ist ähnlich wie „Titus Andronicus“ ein Mord- und Totschlag-Spektakel im Stile von „Pulp Fiction“, das man heute kaum noch ernst nehmen kann. Trotzdem hat der Dresdner Komponist Torsten Rasch aus dem Schauspiel eine Oper gemacht, die 2010 von der English National Opera uraufgeführt wurde. Die deutsche Erstaufführung brachte jetzt das Theater Chemnitz in einer Inszenierung von Dietrich Hilsdorf heraus.
Nach dem Tod ihrs ersten Ehemanns wird die Herzogin von Malfi von ihren beiden Brüdern Ferdinand und Ludovico gezwungen einen Eid abzulegen, nie wieder zu heiraten. Die Herzogin bricht den Schwur aber noch in der gleichen Nacht und heiratet ihren Haushofmeister Antonio, mit dem sie drei Kinder bekommt. Der Söldner Bosola spioniert die Herzogin aus und verrät sie an ihre Brüder, welche die Familie der Herzogin ermorden lassen. Zwischendurch wird Bruder Ferdinand noch zum Werwolf. Zum blutigen Showdown erwürgen die Brüder ihre Schwester, bevor sie und Bosola sich gegenseitig umbringen. Als Nebenfigur gibt es noch die Prostituierte Julia, die von den Brüdern besucht und natürlich auch ermordet wird. Fazit: Am Ende sind nicht nur alle Hauptfiguren tot, sondern auch diverse Statistenrollen überleben diese Oper nicht.
Komponist Torsten Rasch, der schon 2008 an der Kölner Oper mit „Rotter“ scheiterte, kann auch mit diesem Stück wenig anfangen: Man hätte eine Musik der großen Leidenschaften erwarten können, in welcher das absurde Handeln der Figuren vielleicht glaubwürdig werden würde, oder eine grelle Überzeichnung, welche der Gewaltspirale ein ironisches Augenzwinkern im Stile von „Punch and Judy“ geben würde. Rasch tut nichts von beidem, sondern schreibt eine Musik, die emotionslos dahin plättschert. Wenn am Beginn langsame und schemenhafte Holzbläsersoli ertönen, glaubt man noch, dies sei ein vorsichtiges Herantasten in das Werk, doch Rasch tastet sich fast die ganze Oper am Stück und den Figuren vorbei.
Lediglich bei der aberwitzigen Coutertenor-Rolle des Ferdinand, den Iestyn Morris mit virtuoser Souveränität singt, dreht auch das Orchester auf. Hier schreibt Rasch dann aber einen polyphon-überdrehten Orchestersatz, der total überladen wirkt. Große Gefühle und Aufschwünge verweigert Rasch seinen Figuren, sodass die Musik ermüdend und langweilig wird. Zudem passt sie gar nicht zu den Grausamkeiten, die hier erzählt werden und die auch Regisseur Dietrich Hilsdorf auf die Bühne bringt.
Dietrich Hilsdorf orientiert sich in seiner Inszenierung mehr an Websters Drama als an Raschs Komposition, bringt ein bilderstarkes Theater im Stile der Händel-Oratorien auf die Bühne, die er in Bonn und Essen inszeniert hat. Maßgeblich geprägt wird die Aufführung von den am Barock orientierten Kostümen Renate Schmitzers und den beeindruckenden Räumen Dieter Richters, der hier drei Szenarien entworfen hat: Einen großen Palastsaal mit schmuckvoller Wandtapete, die schäbige Absteige der Prostituierten Julia und eine nackte Ziegelmauer mit dem Skelett eines Gehängten, in dem Ferdinand seine Wahnsinnsanfälle bekommt.
Der Chemnitzer Generalmusikdirektor Frank Beermann beschränkt sich am Pult der Robert-Schumann-Philharmonie weitgehend auf das Schlagen des Taktes und entlockt der Musik keinerlei emotionale Regung, während sich das Sängerensemble, soweit das hier möglich ist, um die Glaubhaftigkeit der Figuren bemüht. Tiina Penttinen singt die Titelpartie mit lyrischem Sopran als geschundene Kreatur auf der Suche nach Glück. Sarah Yorke verkörpert mit dramatischen Klängen die Prostituierte Julia. Kräftige Bariton-Schurken geben Kouta Räsänen als Bruder Lodovico und Andreas Kindschuh als Bosola ab. Dass bis auf Herzog Ferdinand die fünf weiteren Figuren nur von stummen Statisten und Schauspielern gemimt werden, ist auch ein Manko dieser Oper. Mit stummen Personen fühlt man in der Oper nicht mit.
„Die Herzogin von Malfi“ hat in dieser Vertonung nichts auf der Opernbühne zu suchen und hat man würde sich wünschen, dass die Chemnitzer Oper ihre Energien für eine hörenswerte Komposition eingesetzt hätte.
Rudolf Hermes