Joseph Haydn
2. Februar 2018
Balthasar-Neumann-Chor und -Ensemble , Dirigent Thomas Hengelbrock
Auf jeder Note des Oratoriums „Die Schöpfung“ von Joseph Haydn auf den Text des Baron van Swieten nach dem englischen „Paradise lost“ (Paradies verloren) von John Milton lagere bei einer heutigen Aufführung Ironie, meinte schon 2001 im Festspielhaus Baden-Baden der Dirigent Enoch zu Guttenberg. Dargestellt werde die Schöpfung der Welt vor dem Sündenfall, wie in der Genesis beschrieben, aber den eigentlichen Sündenfall an der Natur hätten doch Menschen heutiger Generationen mit Zerstörung von Umwelt und Artenvielfalt begangen,
Das kann aber nicht bedeuten, daß das Oratorium nicht immer wieder aufgeführt werden sollte, vielleicht als eine Art Rückbesinnung oder Utopie von göttlicher Weltordnung und Naturidylle, vor allem aber aus Freude an Haydns „schönster, herzlichster und redlichster Musik“ (auch zu Guttenberg) Dies wurde jetzt wieder am vergangenen Freitag bewiesen im Konzerthaus Dortmund, wo das Werk durch großartige Solisten, Balthasar-Neumann-Chor und – Ensemble unter Leitung von Thomas Hengelbrock als Beginn einer Tournee durch fünf Städte einschließlich Baden-Baden eindringlich aufgeführt wurde.
Vorwiegend wird Joseph Haydn für seine Instrumentalmusik bis heute bewundert. So prägt der Orchesterpart vor allem den Hörgenuß der „Schöpfung“. Das Balthasar-Neumann-Ensemble von ungefähr fünfzig Musikern spielte „historisch informiert“ teils auf historischen Instrumenten, besonders fielen die Naturhörner und Trompeten auch sichtbar auf. Ihr besonderer Klang zeigte sich gleich in der Einleitung des ersten Teils, der Darstellung des „Chaos“ beim ersten ff-.Akkord nach dem ganz p aber gut hörbar gespielten Beginn durch die Streicher. Die abschliessende , dem„Tristan“-Akkord ähnliche Tonfolge erinnerte an Wagner-Aufführungen des Ensembles, etwa den „Ruhr-Parsifal“ Das machtvolle C-Dur von „und es ward Licht“ ließ dann den Saal beben. In der Folge erklangen in teils raschen Tempi die Episoden der einzelnen Schöpfungstage, meistens musikalisch lautmalerisch sehr erkennbar vorweggenommen, bevor die Solisten das entsprechende Ereignis besangen. So hörte man Donner rollen, Regen und Schnee fallen. Den festlichen „Sonnenaufgang“ verstärkten die Bläser dadurch, daß sie die Akkorde stehend spielten. Soli einzelner Instrumente liessen den Vogelgesang ertönen, so die Klarinette den der Lerche, Fagotte und Violinen das Gurren der Tauben und natürlich die Flöte den der Nachtigall.Schneidend klang das Kontrafagott, um die Last der Tiere, die den Boden drücken, zu begleiten. Hörner und Holzbläser klangen idyllisch verhalten in der Einleitung des Dritten Teils.
Vom Hammerklavier (Jory Vinikour), nicht vom Cembalo, wurden zusammen mit dem Solocello die Rezitative der Gesangssolisten begleitet. Sie standen hinter dem Orchester und vor dem Chor. Von ihnen hat der Sänger des „Raphael“ die umfangreichsten Aufgaben. Tareq Nazmi sang ganz zurückhaltend die ersten Worte überhaupt „Im Anfang“ Mit mächtigem Baß besang er später die „schäumenden Wellen“ und traf in seiner „zoologischen Arie“ die ganz tiefen Töne beim „am Boden kriechenden Gewürm“
Mit ausdrucksvollem und dynamisch wandlungsfähigem Tenor, etwa beim Gegensatz zwischen der „glänzenden Sonne“ und dem „sanften Schimmer“ des Mondes und auch bis in die Tiefen der „ewigen Nacht“ sang Lothar Odinius den Uriel . Zuletzt hörten wir ihn in Dortmund als Loge im „Rheingold“. – wirklich eine vielfache Stimmbegabung!
Als weiblicher Erzengel Gabriel glänzte Camilla Tilling mit Koloraturen und Trillern bis in hohe Höhen, etwa beim Besingen der Heilkraft der Kräuter oder der Nachahmung der Vogelstimmen, naürlich besonders der Nachtigall. Allerdings hatte sie Schwierigkeiten, sich stimmlich gegen Chor und Orchester durchzusetzen.
Für Adam und Eva waren zusätzlich André Morsch und Katharina Konradi ( mit leuchtendem koloratusicherem Sopran) eingesetzt, die aus dem langen Duett im dritten Teil eine Art Opernszene über idyllische Ehe von anno-dazumal gestalteten.
Die Krönung der Aufführung, und das merkte man an der Reaktion der Zuhörer, waren die Chorszenen mit dem etwa fünfzig Sänger umfassenden Balthasar-Neumann-Chor. Zusammen mit dem Orchester regte Dirigent Hengelbrock mit schwungvollen Bewegungen die Darstellung der Chorszenen in ihrer gesamten dynamischen Bandbreite an. Das zeigte gleich der Anfang vom „sotto voce“ gesungenen „Und der Geist Gottes“ zur riesigen Steigerung „Es ward Licht“ Alle mehrstimmigen Chöre gelangen mitreissend, für vieleBesucher als Höhepunkt „Die Himmel erzählen“ In fugierten Teilen waren die einzelnen Stimmen, auch Tenöre und Mezzosoprane, hörbar nachzuvollziehen. Zur Doppelfuge des Schlußchors wirkten neben den Sängern von Adam, Eva und Uriel eine Mezzosopranistin aus dem Chor mit, sodaß diese mit dem erst koloraturenreich von den Solisten dann mächtig vom Chor gesungenen „Amen“ krönender Abschluß wurde.
Das regte das Publikum im ausverkauften Konzerthaus zu grossem Beifall und Bravos an. Das belohnten Thomas Hengelbrock und Balthasar-Neumann-Chor und -Ensemble mit dem Doppelquartett-Chor „Denn er hat seinen Engeln befohlen“ aus Mendelssohn-Bartholdy’s „Elias“, erinnernd an die Aufführung vor einigen Jahren in Dortmund.. Danach erscholl natürlich wiederum grosser Beifall, sodaß sich der Chor mit Rheinbergers „Abendlied“ aus den 1870-er Jahren trotz des Textes „Bleibt bei uns“ endgültig verabschiedete.
Sigi Brockmann 4.2.18
Fotos (c) Pascal Amos ‚Rest