29. Mai 2017
konzertant
„Das Rheingold“, der Vorabend zu Richard Wagners Bühnenfestspiel „Der Ring des Nibelungen“, stellt bekanntlich als Anbahnung und Grundlage der späteren Konflikte viel Handlung auf die Bühne im Vergleich zu den folgenden „drei Tagen“, bietet dafür weniger emotionale oder psychologische Tiefe. Auch bedingt durch die thematisierte Kritik am Frühkapitalismus verleitet das Regisseure und wegen der ungewöhnlichen Spielorte (u.a. auf dem Grunde des Rheins oder unterirdische Kluft) auch Bühnenbildner zu mehr oder weniger verständlichen Lösungen.
Durch solches nicht abgelenkt ermöglichte volle Konzentration auf Musik und Text eine konzertante Aufführung, wie sie jetzt nach Hamburg und vor Baden-Baden stattfand im Konzerthaus Dortmund – auch folgend der langen Tradition von konzertanten Opernaufführungen. Es spielte das NDR Elbphilharmonie Orchester anstelle von Thomas Hengelbrock unter Leitung von Marek Janowski – in Dortmund als Wagner-Dirigent erstmals 1975, in Berlin mit seinen konzertanten Wagner-Aufführungen noch mehr bewundert und zuletzt „Bayreuth-erprobt“, wie es im Programm der Aufführung in Hamburg heißt.
Auch fast alle Sängerinnen und Sänger waren „Wagner-erfahren“
Weil er im „Rheingold“ die handlungsbestimmende Hauptrolle verkörpert, soll zunächst Johannes Martin Kränzle für seine stimmlich in jeder Facette glaubhafte Darstellung des Alberich gewürdigt werden. Obwohl wie fast alle Sänger hinter dem Orchester stehend war er textverständlich, nuancierte seine Stimmfarbe je nach Situation, geil zu Beginn, aber schon eindringlich bei „o Schmerz“ mächtig beim Liebesfluch ganz p beim Befehl an die Nibelungen „zaudert wohl gar?“ironisch zu Wotan „auf wonnigen Höhn“. Höhepunkt war dann natürlich die selbst die Zuhörer erschreckende Verfluchung des Rings.
Wotan kommt einem zumindest bis hin zu Erdas Warnung als eine Art Traumtänzer vor. Ihn sang Michael Volle ebenfalls textverständlich mit grosser raumgreifender Stimme. Gleich zu Beginn geriet der grosse Sprung bei „hehrer herrlicher Bau“ stolz und überheblich, er traf gegen Ende den tiefen Ton bei „es naht die Nacht“ und verfügte bis zum Einzug in Walhall über genügend Stimmreserven. Zusätzlich verdeutlichte er vieles durch angedeutetes Spiel.
Das gelang auch großartig Daniel Behle mit herrlich nuancierendem Tenor als Loge, kein früherer Heldentenor, wie manchmal erlebt, sondern zwar zynisch aber immer unangestrengt hohe und tiefe Töne treffend. Katarina Karnéus war als Fricka keine keifende Ehefrau, sondern stellte mit teils lyrischem Legato Sorge um das Schicksal der Götter stimmlich dar. Luxusbesetzung für die Partien waren die beiden Riesen, Christof Fischesser als Fasolt und Lars Woldt als Fafner, mit jeweils mächtigem tiefen Bass, der Unterschied zwischen dem eher liebenden Fasolt und dem machtgierigen Fafner wurde stimmlich deutlich. Bekannt aus der Aufführung des „Rheingold“ in der Jahrhunderthalle in Bochum vor einigen Jahren wiederholte Elmar Gilbertsson seinen damalige stimmlich so eindrucksvolle Leistung als gequälter. Mime. Mit tiefem Bass aber auch textverständlich sang Markus Eiche den Donner. Um den Blitz vorzubereiten, hatte er sogar einen kleinen Hammer mitgebracht. Eine gute Idee war es, Froh von dem eher als Konzertsänger bekannten Lothar Odinius (auch in Bayreuth!) singen zu lassen. So konnte er mit lyrischen tenoralen Schmelz die „leidlos ewige Jugend“ besingen als auch „die Brücke zur Burg“ führen. Gabriele Scherer sang eine lyrische Freia, verschluckte aber manchmal einzelne Silben. Ganz mochte man auf theatralische Momente nicht verzichten, die Rheintöchter Mirella Hagen, Julia Rutigliano und Simone Schröder sangen links oben aus dem Rang, wobei erstere die hohen Spitzentöne bis zum c traf. Mit volltönendem Mezzo und langen Legatobögen warnte aus dem Rang rechts heraus Nadine Weissmann als Erda vor dem drohenden Ende der Götter.
Wie bei einem Orchester wie dem NDR Elbphilharmonie Orchester unter der Leitung eines Marek Janowki nicht anders zu erwarten war, wurden Vorspiel und Zwischenspiele zu Höhepunkten des Abends. Wenn man nicht nur hörte, sondern zusätzlich den ersten Einsatz der Kontrabässe, dann der Fagotte dann der Hörner auch noch sah, war die Wirkung eindringlicher, als wenn es nur aus dem Orchestergraben ertönt. Dasselbe galt für den Übergang vom ersten zur zweiten Szene mit dem sorgfältig vorbereiteten ersten Erklingen des Walhall-Motivs, ganz wunderbar weich gespielt von Tuben und Posaunen. Beim Abstieg nach Nibelheim sorgten hinter dem Orchester im ersten Rang neun Schlagzeuger für die rhythmisch genauen Amboßschläge, wie überhaupt rhythmische Feinheiten, etwa beim wuchtigen Auftritt der Riesen, genauer zu hören waren, als wenn sie aus dem Graben her tönen. Zu loben sind die Soli der ersten Violine etwa schon in der Rheintöchterszene oder sogar in Nibelheim. Was man sonst kaum hört, hier sah man, wenn die Violinen in mehrere Gruppen geteilt spielten. Stellvertretend für Holzbläser seien die Fagotte gewürdigt, alle Holzbläser bei Darstellung von „Freias Äpfeln“ Ganz p aber tongenau spielten die Hörner das schwierige Begleitmotiv zum Tarnhelm. Selten hörte man so pompös den Einzug der Götter in Walhall, auch deutlich zu hören die sechs Harfen.
Überlegen leitete Marek Janowski das musikalische Geschehen, er differenzierte das Tempo zwischen recht schnell bei Begleitung von rezitativ-ähnlichen Stellen und etwas langsamer bei für den Fortgang der Handlung wichtigen Motiven oder Themen. Mit einer Dauer von ungefähr zwei Stunden 25 Minuten lag er ganz passend etwa bei derselben Zeit, die nach Bayreuther Überlieferung ungefähr auch Siegfried Wagner gebraucht haben soll.
Schon vor Beginn der Vorstellung wurde er vom treuen Dortmunder Publikum begeistert begrüßt. Nach der Vorstellung gab es langen herzlichen Beifall mit Bravos für alle Mitwirkende dieser eindrucksvollen konzertanten Aufführung.
Sigi Brockmann 30. Mai 2017
Fotos Pascal Amos Rest
PS: Im Rahmen der Pfingstfestspiele ist die Aufführung am 3. Juni 2017 um 18 Uhr
im Festspielhaus Badcn-Baden nochmals zu erleben