am 2. Juni 2015
„helden_gesänge“ war das Motto dieser Saison der Dortmunder Philharmoniker. (Bindestrich unten und Kleinschreibung vom Veranstalter gewünscht!) „Helden“ läßt Richard Wagner in seinen Bühnenwerken meistens scheitern, gut wenn eine
opferwillige Frau dann für den versöhnlichen Schluß sorgt! Das ist auch der Fall mit „Siegfried“. Aber hier erstrecken sich Aufstieg und Fall über zwei Tage des Bühnenfestspiels „Der Ring des Nibelungen“ Im Teil „Siegfried“ selbst gelingt diesem fast alles, was Machtpolitiker Wotan für ihn gepla
nt hat, im dritten Aufzug sogar noch mehr, nämlich, daß er Wotan selbst entmachtet.. Nach Vollendung von „Tristan“ und „Meistersinger“ zählen Instrumentation, Harmonik und besonders motivische Verarbeitung zu den musikalischen Höhepunkten in Wagners Schaffen, sodaß eine konzertante Aufführung dem Opern- und Musikfreund Freude bereitet.
Reine Freude bereitete zuvor das „Siegfried-Idyll“, ein intimes Konzertstück von Wagner zum Geburtstag von ‚Cosima geschrieben. Nicht ganz so intim wurde es hier mit verhältnismässig grosser Streicherbesetzung aufgeführt – wie in Dortmund üblich mit den Celli ganz rechts, die Balance zwischen Streichern und den wirklich idyllisch klingenden Bläsern blieb aber gewahrt. Dirigent Gabriel Feltz hob dynamische Höhepunkte bis zum vorgeschriebenen ff hervor, sodaß es fast einer „sinfonischen Dichtung“ nahe kam. Ganz intim klang wieder dann der pp verklingende Schluß.
Nach der Pause kamen dann die Orchestermassen für den III. Aufzug „Siegfried“ auf die Bühne, wenn auch mit „nur“ vier Harfen. Für den Sänger des „Wanderer“ ist die erste Szene dieses Aktes mit Erda auch dann eine stimmliche Strapaze, wenn das Orchester tief unten im Graben sitzt. Da bei dieser konzertanten Aufführung ohne grosse Zurückhaltung bei der Lautstärke musiziert wurde, blieb für Olafur Sigurdarson nur übrig, soviel zu forcieren wie nur möglich, um überhaupt stimmlich bestehen zu können. Differenzierter sang er dann beim Zwiegespräch mit Siegfried.
Bis zu den tiefen Tönen ihrer Alt – Partie – etwa bis zum tiefen gis – gestaltete Ewa Wolak den kurzen Auftritt der Erda wohlklingend mit langen Tönen ohne falsches Vibrato, dabei soweit möglich textverständlich. Eindrucksvoll gelang die Entzauberung Wotans bis hin zum grossen Sprung vom hohen As bis tiefem d bei „ herrscht durch Meineid“
Spätestens seit seinem „Tristan“ in Minden vor fast drei Jahren kennt man Andreas Schager als einen ganz bedeutenden Wagner-Tenor, wobei sympathisch wirkt, daß er sich nicht auf Wagner beschränkt, erinnert sei an seinen „Apollo“ in Richard Strauss konzertanter`“Daphne“ oder „Menelas“ in dessen „Ägyptischer Helena“. Für den jungen Siegfried hatte sein heller Tenor die passende Stimmfärbung. Stimmlich überstrahlte er besonders bei Spitzentönen das hinter ihm kräftig spielende Riesenorchester. Bei schnellem Parlando etwa in der Szene mit Wotan war er weitgehend textverständlich. Anrührend klang sein p vor der Erweckung Brünnhildes, etwa legato und – für einen Heldentenor schwierig – p ohne Orchesterbegleitung z. B. bei „Im Schlafe liegt eine Frau“Auch sah man, daß er gewohnt ist, die Partie szenisch zu gestalten.
Noch als Mezzo erlebte der Verfasser Petra Lang 1994 in Dortmund als Octavian und Waltraute. Über letztere schrieb damals Konrad Schmidt in den „Ruhr-Nachrichten“ … „das war gesanglich der Höhepunkt! Petra Lang als Waltraute, schade, daß die Partie so klein ist“ Inzwischen singt sie ganz grosse Partien als hochdramatischer Sopran auch von Wagner etwa im „Ring“! Da ist die Brünnhilde im „Siegfried“ nicht einmal besonders lang. Petra Lang begann strahlend singend wie die angerufene Sonne mit kräftig lang angehaltenen Tönen. Auch später klang bei Spitzentönen, aber auch dank früherer Mezzo-Lage bei tiefen Tönen, ihre Stimme immer kontrolliert, nie scharf oder mit falschem Vibrato. Dabei gestaltete sie stimmlich und soweit möglich textverständlich den Wechsel der Emotionen Brünnhildes. Zart tönte das „Ewig war ich“ später dann mit der Wagnerschen Aufforderung „feurig doch zart“ bei „O Siegfried“ Im ersten Duett mit Siegfried sangen beide den langen Triller – fast schon erwartet beschloß Brünnhilde das leidenschaftliche Schlußduett mit einem strahlenden hohen C.
Für den „Ring“ verbannte Wagner bekanntlich in Bayreuth das Orchester unsichtbar in den tiefen Abgrund, um die Handlung hervorzuheben, den Klang der Instrumente zu verschmelzen und den Singstimmen zu helfen. Für diese ist selbst bei zurückhaltender Lautstärke des Orchesters und möglichem Blick in die Noten eine konzertante Aufführung schwierig. Trotzdem war es für die Besucher ein Erlebnis, zu hören, und auch zu sehen, wie insbesondere die raffinierten Mischklänge sich aus verschiedenen Instrumenten oder Instrumentengruppen zusammensetzten. Hier zeigten die Dortmunder Philharmoniker ihre Wagner-Erfahrung, nach Dirigaten von Hans Wallat und Arthur Fagen spielten sie nach der Jahrtausendwende jetzt zum dritten Mal aus dem „Ring“
Zu ganz grosser Klangwucht steigerte Gabriel Feltz die Musik zum Szenenwechsel durch das Feuer hin zum „ Brünnhildenstein“, nahm teils sehr schnelle Tempi. Sauber intoniert klangen die folgende lange Kantilene der ersten Geigen, wie auch alle Streicher harmonisch im „Streichquartett“ bei „Ewig war ich“. Zart und weich intonierten die Hörner das erste „Walhall-Motiv“, markant klangen die Trompeten, neckisch spielten Flöten das Waldvöglein. Zu loben waren alle Holzbläser, z.B. die für Wagner so typische Baßklarinette, auch im Zusammenspiel mit den „normalen“ Klarinetten, natürlich auch die Harfen.
Das Publikum im nicht ausverkauften Konzerthaus zeigte sich begeistert, klatschte Beifall, rief „Bravo“, besonders für die beiden Hauptpersonen, auch, wie man aus Gesprächen hörte, froh, daß die emotionsgeladene Musik Wagners nicht durch Aktionen auf der Bühne relativiert oder „gegen den Strich gebürstet“ wurde.
Sigi Brockmann 4. Juni 2015
Foto (c) Christoph Müller-Girod / Karikaturen von Peter Klier (c) Opernfreund