Premiere: 31. Mai 2018 Wiederaufnahme 8. Dezember 2019
Um es zu Beginn klar zu machen: Von allen Produktionen "DIE WALKÜRE" ist die Düsseldorfer Inszenierung unter der Stabführung von Axel Kober eine der Besten, welche ich je besuchen durfte!
Was vorerst ins Auge sticht, ist die Behausung Hundings im ersten Akt: Ein Bunker, ein Schutzraum! Aber dieser Raum bietet keinen Schutz, keine Sicherheit. Dieter Richters Bühnenbild siedelt den "Mikrokosmos Familie", hier Hunding und Sieglinde, in einem apokalyptischen Ort im Sinne von Tarkowskis "STALKER" an. So drückt es Bernhard F. Loges in seiner ausgezeichneten dramaturgischen Analyse der Düsseldorfer Inszenierung aus.
Dieser trügerische Zufluchtsort verwandelt sich im zweiten Akt in die Machtzentrale Wotans, in der sich die Familie Wotans versammelt hat und schlussendlich feststellen muss, dass alle Machenschaften des Chefs den Untergang der Götter, den Sieg der Nibelungen, kurz die Apokalypse Wallhalls nicht aufhalten kann.
Der niedrige Schutzraum ist im dritten Akt zu einer riesigen Halle angewachsen. Durch das Dach ist ein Hubschrauber abgestürzt, aus dem die gekiesten Untoten Helden von den Wunschmädchen in die Halle geführt werden. Ein Einblick in die Gräuel jeglichen Krieges.
Axel Kober am Pult hat eine subtil neue musikalische Deutung der Walküre interpretiert. In anderen Produktionen wird Siegmund musikalisch fast ohne Ausnahme als Held, als siegreicher Krieger dargestellt, die Ausnahme davon ist immer sein erster Auftritt: "Wes Herd dies auch sei". Bloss von seiner Erschöpfung erholt er sich in allen Inszenierungen ausser hier in Düsseldorf sehr schnell.
Axel Kobers musikalische Interpretation Siegmunds stellt ihn als erst mal erschöpften, vor seinen Feinden fliehenden Menschen vor. Unsicher, nicht wissend wie es weitergehen soll, wird er erst von Sieglinde, dann von Hausherrn befragt. Sieglinde ist mitfühlend und am Manne Siegmund sichtlich interessiert. Hunding dagegen ist dominant, feindlich und eifersüchtig.
All dies ist in der Musik Richard Wagners vorhanden. Und diese Gefühle, werden angeleitet vom Dirigenten, musikalisch durch die Düsseldorfer Symphoniker und die Sängerinnen und Sänger auf der Bühne ausgedrückt. So wird in herkömmlichen Walküre-Inszenierungen zum Beispiel "Winterstürme wichen dem Wonnenmond" sehr heldenhaft gesungen.
Bei Kober dagegen trägt Siegmund mit seinem Singen Sorge zum eben erwachten Frühling, zu der langsam keimenden Liebe zu Sieglinde. Er singt leise mit fühlbarer Empathie, um die Liebe und das Frühjahr nicht zu erschrecken, zu verjagen.
Die Unsicherheit Siegmunds wird stark spürbar in "Ein Schwert verhiess mir der Vater", auch in der Düsseldorfer Interpretation als Heldentenor gesungen, aber mit spürbarer psychischer Belastung interpretiert.
Heldenhaft wird Siegmund erst in "Nenne mich wie Du willst, den Namen nehm ich von Dir". Hier wirkt er auch wieder sicher, eben als SIEGMUND, Sieger im Kampf und in der Liebe.
"EIN WOLF WAR ER FEIGEN FÜCHSEN! DOCH DEM SO STOLZ STRAHLTE DAS AUGE, WIE, HERRLICHE, HEHR DIR ES STRAHLT, DER WAR: WÄLSE GENANNT." (R. Wagner)
Die Personenführung von Dietrich Hilsdorf ist makellos. Er legt grossen Wert auf stimmige Mimik, Gestik und Körpersprache, auf schauspielerisches Können. Der Anschein, dass er stark dem Rampensingen huldigt täuscht. Die Gründe dafür sind in der Akustik zu suchen. Ein vollbesetztes Wagnerorchester ist laut. Die Musik des Rings wurde nicht für einen offenen Orchestergraben, sondern für die spezielle Akustik mit gedecktem Graben im Festspielhaus Bayreuth geschrieben.
Hilsdorf hilft mit seiner Inszenierung, welche die Spiel-Handlung im vorderen Drittel der Bühne von Dieter Richter konzentriert, dem musikalischen Ausdruck. Er ermöglicht so Axel Kober, seine musikalische Interpretation auszuleben, zu dirigieren, die Dynamik der Komposition voll auszunützen. Diese Regie gibt den Sängerinnen und Sängern die Möglichkeit ohne exzessive Lautstärke sauber intoniert und mit klarer Diktion zu singen.
Den hervorragenden Siegmund spielt und singt bei dieser Wiederaufnahme Daniel Frank. Seine Interpretation des unsicheren Helden, auch mit sich selber kämpfenden Menschen, überzeugt auf der ganzen Linie. Seine Intonation ist fehlerlos. Seine Diktion auch in den leisen Passagen absolut verständlich, seine Körpersprache, seine Mimik und Gestik unterstreichen die Emotionen, welche Siegmund bewegen.
Sami Luttinen als Hunding gibt den kriegerischen Macho und ist in seiner überzeugenden Sicherheit, seinem herrischen Auftreten, ein ausgezeichneter Gegenspieler von Siegmund. Auch seine Intonation, Mimik und Gestik lässt keine Wünsche offen.
Die ausgezeichnete schwedische Sopranistin Elisabet Strid singt/ist Sieglinde. Es ist klar zu hören, dass sie viele Wagnerrollen im Repertoire hat. Ihre Interpretation von Sieglinde in Düsseldorf ist geprägt von schauspielerischem Können, wunderbar klarem Gesang ohne jegliches falsches Vibrato, die anspruchsvolle Rolle mit Leichtigkeit singend, überzeugt sie in jedem Moment auf der Bühne.
Dasselbe gilt für Simon Neal als Wotan. Dabei ist mit aufgefallen, dass auch Wotan in Hilsdorfs Regie weniger göttlich, dafür oft unsicher wirkt. Unsicher als Interpretation, nicht in seine Rolle, seinem Gesang. Auch dieser ist geprägt von sauberer Intonation und klarer Diktion.
Brünnhilde, makellos gespielt und gesungen von Alexandra Petersamer, beherrschte die Bühne bei jedem ihrer Auftritte ohne ihre Mitspielerinnen und Mitspieler an die Wand zu singen. Sie liess in ihrer Interpretation sehr viel Raum, so dass sich das ganze Team frei entwickeln konnte.
Katarzyna Kuncio als Fricka überzeugte nicht hundertprozentig. Man hatte den Eindruck einer leichten Indisposition. Ihre Stimmkraft liess zu wünschen übrig, ebenso ihr Diktion. Schade, ist sie doch als Persönlichkeit eine wunderbare Gegenspielerin von Wotan.
Als Walküren auf der Bühne in Düsseldorf: Anke Krabbe, Jessica Stavros, Katja Levin, Romana Noack, Lisa Wedekind, Maria Hilmes, Katharina von Bülow und Uta Christina Georg.
Ihr Walküren Ritt zu Beginn des dritten Aktes ist sehr interessant. Normalerweise ist dies ein heldisch/musikalisches Paradestück. Unter Kobers Stabführung war eine ganz leichte Unsicherheit, eine gewollte Unsicherheit zu spüren, fehlt doch Brünnhilde, die Anführerin. Wo ist Brünnhilde? Fragen sich alle und zuletzt auch Wotan: Wo ist Brünnhilde, wo ist die Verbrecherin?
Zuletzt Wotan >Leb wohl, du kühnes, herrliches Kind! Du meines Herzens heiligster Stolz!< Ein musikalischer Anschluss, der seinesgleichen sucht und dies speziell in Kobers musikalischer Interpretation!
Das Düsseldorfer Publikum belohnte die Leistung des gesamten Teams mit einem tobenden langanhaltenden Applaus. Und dieser ist hochverdient.
Peter Heuberger, 13.12.2019
Bilder siehe Premierenbesprechung