Premiere Duisburg: 15.11.2018, besuchte Vorstellung: 20.11.2018
Gefangen im Kopfe Otellos
Nach Antwerpen, Gent und Düsseldorf fand nun im Duisburger Theater die Premiere der von Michael Thalheimer inszenierten Verdi-Oper Otello statt. Und diese beginnt gleich mit einem sehr eindrucksvollen Opening: Während der Sturmszene erleuchten mittels Stroboskop-Effekten erzeugte Blitze die schwarze Bühne, auf der der von Gerhard Michalski einstudierte Chor stimmgewaltig dem Sturme trotzend die Ankunft Otellos erwartet. Allgemein ist schwarz an diesem Abend sehr gefragt, und das mit voller Absicht. Als Bühnenbild erschuf Henrik Ahr einen schwarzen Kasten, an dem sich hinten eine Wand nach oben fahren lässt, dies eröffnet unter anderem später am Abend Raum für einen weiteren Auftritt des groß aufgestellten Chors. Dazu schuf Michaela Barth passende schwarze Kostüme. Weiß sind an diesem Abend nur zwei Gegenstände, das Taschentuch und das Brautkleid Desdemonas, zwei sehr klug gewählte Requisiten. Ansonsten wird viel mit Lichteffekten (Licht: Stefan Bolliger) gearbeitet, die sich aber oft auf das Wesentliche konzentrieren. Auf das Wesentliche konzentrieren ist auch Michael Thalheimers Paradedisziplin, so ist er unter anderem bekannt dafür, auf diese Art den Kern des Werkes offenzulegen.
Diesen sieht er bei Verdis Spätwerk eindeutig in der Psyche Otellos, die Inszenierung ist so angelegt, dass sich alles nur im Kopfe der Hauptfigur abspielt und Otello daher auch permanent auf der Bühne steht. Wenn nicht aktiv an der Handlung beteiligt, steht er doch als stiller Beobachter dabei oder wendet sich in der hinteren rechten Ecke der Wand zu. So steigt auch Desdemona im ersten Akt aus einer Art Bilderrahmen zu ihm herab. Sehr stark auch einige weiteren Szenen in denen sich klar zeigt, dass wir uns hier in Otellos Gedankenwelt befinden, indem er beispielsweise statt mit seiner Gattin zu interagieren mehr beobachtend neben ihr steht. Ein interessanter Ansatz, der dem Publikum allerdings auch einiges abverlangt. Hierzu empfiehlt sich hinsichtlich dieses doch sehr eigenen Inszenierungsansatzes vor dem Besuch der Vorstellung (wie eigentlich immer an der Deutschen Oper am Rhein, in diesem Falle aber besonders) ein Besuch der Einführung oder die Lektüre des sehr ausführlichen Programmheftes. Die Inszenierung ist durchaus anstrengend und doch, auch wenn sich die gewählte Deutung nicht zwingend ergibt, in sich sehr stimmig. Und genau dies ist es, was zu begeistern vermag. Gute Opernabende sind auch die, bei denen der Regisseur den Zuschauer mitnimmt in seine Gedanken und sich daraus das Gesamtwerk der Inszenierung logisch erschließen lässt, auch wenn dies wie hier mitunter eine beschwerliche Reise ist.
Aber auch ein Berganstieg kann anstrengend sein, das Resultat des schönen Ausblicks ist dann aber aller Mühen wert. Hier ist nicht Jago der größte Feind Otellos, vielmehr ist Otello der größte Feind Otellos, da beide Figuren als zwei Seiten einer Persönlichkeit gesehen werden. Auch hier schafft Thalheimer einige schöne Bilder in denen dies deutlich wird. Dies mag vielleicht jedermanns Geschmack sein, das Duisburger Publikum zeigte sich allerdings sehr beeindruckt.
Dies galt in der besuchten Vorstellung auch für die musikalische Seite, denn mit Antonino Fogliani stand ein Fachmann für italienische Opern am Pult der eindrucksvoll aufspielenden Duisburger Philharmoniker. Es klingt oft laut und kraftvoll aus dem Operngraben, ohne die Sänger dabei zu erdrücken, gleichzeitig nimmt sich das Orchester in den eher lyrischen Stücken entsprechend etwas zurück, so macht Verdi richtig Freude. In der Titelrolle überzeugt Gustavo Porta mit einem kraftvollen Tenor, auch das sicherlich nicht einfache „Esultate“ gelingt zu Beginn der Oper meisterlich. Als Desedemona steht Brigitta Kele mit einem wunderbaren Sopran auf der Bühne. Die Leistung von Simon Neal als wahrhaft bösartig agierender Jago rundet das positive Gesamtbild ab. In den Nebenrollen wissen Ibrahim Yesilay (Cassio), Luis Fernando Piedra (Rodrigo), Katarzyna Kuncio (Emilia), Lukasz Konieczny (Lodovico), Beniamin Pop (Montano) und Attila Fodre (Bote) ebenfalls zu gefallen.
Wenn dann beim eindrucksvollen Schlussbild (Achtung Spoilerhinweis, wer noch einen Besuch plant, sollte hier aufhören zu lesen) im Moment von Otellos Tod der Bühnenrahmen auseinanderbricht und seine Seele ins Licht entweichen kann, endet ein eindrucksvoller Opernabend ähnlich stark wie er begonnen hat.
Markus Lamers, 22.11.2018
Bilder: © Birgit Hupfeld