Als Sommeroper auf dem Rathausplatz
Schon lange sei eine Freilichtaufführung einer Oper ihr Traum gewesen, verraten uns Kiels Generalintendant Daniel Karasek und sein General-musikdirektor Georg Fritzsch im Vorfeld der erstmaligen Aufführung einer „Sommeroper“. Ein Traum sicherlich, der durch das Engagement der Kieler Philharmoniker bei den Gala-Abenden der Eutiner Festspiele, vor zwei Jahren auch durch den Auftritt Kieler Sänger gestärkt worden ist. Ein Engagement freilich, das durch die Insolvenz der damaligen Trägergesellschaft ein ungutes Ende genommen hat.
Diesen Traum umsetzen, sei sehr schwierig gewesen, lesen wir. Ermöglicht worden sei es durch die Zuwendungen bedeutender Kieler Wirtschafts-unternehmen. Nun ist es nicht damit getan, für die Freiluftaufführung enger Oper irgendwo eine Tribüne aufzuschlagen und ein paar Holzbohlen als Bühne zu verlegen. Leider haben die Kieler Verantwortlichen mit der Bestimmung des gesichtslosen Rathausplatzes zur Freilichtbühne arg daneben gegriffen – auch wenn unser Ministerpräsident Torsten Albig im Programmheft dem Platz italienisches Flair andichtet. Nun wissen die Schleswig-Holsteiner: Unsere Landeshauptstadt ist ein Konglomerat von Bausünden, und allenfalls am Wasser hat sie einen gewissen maritimen Charme. Italienisches Flair hat ihr noch niemand bisher nachgesagt.
Der technisch geprägte Seitenflügel des Opernhauses ist als Rückwand einer Freilichtbühne nur sehr bedingt geeignet. Zumal der Bühnenbildner Norbert Ziermann sich in einer Orgie von Technik mit Treppen, Verstrebungen und Beleuchtungs- und Lautsprecher-Türmen ergießt. Und auch die arg steile Tribüne lässt zu wünschen übrig. Sichtfreiheit ist nur bedingt gegeben, und die Abstände zum Geschehen auf der Bühne sind so riesig, dass nur mit Opernglas bewehrtem Auge etwas von der Mimik der Darsteller zu erkennen ist. Und weil die Flächen so groß sind, geht es nicht ohne Mikroports der Sänger. Überdies spielt das Orchester unsichtbar für Publikum und Sänger abseits der Bühne in einem Zelt. So werden Gesang und Musik über die Lautsprecher zusammen gemischt – Schwerstarbeit für die Tontechniker. Trotz deren Bemühen ist der Eindruck nicht zu vermeiden, Orchester und Solisten wollten sich darin übertreffen, wer es lauter kann. Überdies kommt zwischen dem Musikalischen Leiter und seinen Sängern ein Kontakt nur über Monitore zustande –sehr unbefriedigend.
Angesichts so vieler Technik kommt an diesem warmen Sommerabend das blutrünstige Geschehen der Oper „Tosca“ nur arg unterkühlt über die Rampe. Der berühmte Funken will nicht überspringen. Schade, denn die Inszenierung hat ihre Reize. Daniel Karasek sind eindrucksvolle Massen-szenen gelungen, die die Weite der Bühne gut nutzen. Seine Solisten spielen dagegen zu oft arg statuarisch. Eigentlich hat die Kieler Oper ausreichend gute Kräfte, um eine solche Aufführung aus dem eigenen Haus heraus zu besetzen. Daniel Karasek hat aber der Versuchung nicht widerstehen kön- nen, für die A-Besetzung renommierte Gäste aus dem Ausland zu verpflich- ten. Allen voran die Italienerin Raffaella Angeletti, die als Puccini-Spezialistin gilt. Den Scarpia singt der Mexikaner Alfredo Daza in der B-Besetzung, wäh- rend der in Kiel schon bekannte Ella Fabbian in der Premiere sang. Der Amerikaner Jesus Garcia gibt alternierend mit Yoonki Baek den Maler Cava- radossi. Agiert wird in farbenprächtigen Kostümen von Claudia Spielmann. Barbara Kler und Michael Nündel haben die Chöre einstudiert.
Diese Sommeroper ist gewiss nicht der große Wurf, von dem die Verant-wortlichen geträumt haben. Das Premierenpublikum auf der an diesem Abend ausverkauften Tribüne ist dennoch mehr als nur zufrieden. Falls es in künftigen Jahren eine Wiederholung der Sommeroper geben sollte: Bitte an geeigneterer Stelle und mit einem erheblich reduzierten Aufwand an Technik
Horst Schinzel
Bilder: Sommeroper Kiel
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