Vorstellung am 8.3.22, weitere Aufführungen 12.3. | 16.3. | 18.3. | 22.3. | 29.3. | 7.4.2022
Dass sich Puccinis Meisterwerk LA BOHÈME seit der Uraufführung vor 126 Jahren ungebrochener Beliebtheit erfreut, zeigt ein Blick auf die im Programmheft der Königlichen Oper Kopenhagen vermerkten Aufführungszahlen: Allein in der dänischen Hauptstadt kommt LA BOHÈME in dieser Zeitspanne auf rund 630 Vorstellungen. Und tatsächlich, auch wenn man diese Oper schon zigmal gesehen hat, wird man ihrer nie überdrüssig, ist gerührt wie beim ersten Mal – vor allem wenn die Inszenierung stimmt! Das tat sie hier zu 100%. Elisabeth Linton hat das Werk vor sechs Jahren am königlichen Theater inszeniert, nun wurde die Produktion wieder aufgenommen. Im wunderbar atmosphärisch stimmigen Bühnenbild von Astrid Lynge Ottosen, mit den Kostümen von Magdalena Stenbeck und der Lichtgestaltung von Ulrik Gad gelang dem Team eine überaus genaue Milieustudie über den Reifeprozess von sechs jungen Menschen, mit ihren Träumen, ihrer jugendlichen Unbeschwertheit, aus der sie durch den tragischen Tod Mimìs brutal gerissen werden. Faszinierend werden die szenischen Verwandlungen geschafft: Die kalte Mansarde des ersten Bildes dekonstruiert sich gegen Ende des Liebesduetts zwischen Mimi und Rodolfo – das Universum scheint ihnen offen zu stehen, sie begeben sich quasi auf einen Höhenflug. Der setzt sich im zweiten Bild fort, das Café Momus ist hier eine schicke Bar in einem Luxuskaufhaus à la Galleries Lafayette. Im dritten Bild hat der Rausch dann bereits ein Ende. In der kalten Februarnacht an der Zollschranke müssen die Gefühle erst mal neu sortiert werden. Genial ist das Schlussbild konzipiert: Der Frühling ist da (eine einsame Kamilie in einer Vase), die vier Freunde haben die Mansarde verlassen und verbringen den Tag an der wärmenden Frühlingssonne, haben freien Blick über die Dächer der Stadt Paris und ihre Monumente.
Die Sänger agieren mit jugendlicher Leidenschaft, sind verspielt und am Ende zutiefst erschüttert und betroffen, genau wie wir im Publikum. Yana Kleyn singt eine ausdrucksstarke, einnehmende Mimì. Im Verlauf des Abends wird ihre Stimme immer wärmer, rührt am Ende zu Tränen. Der Rodolfo von Matteo Lippi ist eine wahre Offenbarung: Ein Timbre und eine Strahlkraft zum Dahinschmelzen. Mit großartiger stimmlicher und darstellerischer Gewandtheit gibt der Bariton Luthando Qave den Maler Marcello. Seine Eifersucht trifft die umwerfende Musetta von Clara Cecilie Thomsen, welche so herrlich kokett sein kann im Momus-Bild, wo sie den Walzer mit überschäumender Verve singt, keifend und selbstbewusst im Streit mit Marcello im dritten und anrührend im Gebet und im Mitleid im Schlussbild. Simon Duus gestaltet einen warmstimmigen Schaunard und Kyungil Ko nimmt mit philosophischer Tiefe als Colline Abschied von seinem Mantel. In den kleineren -aber nicht unwichtigen – Partien überzeugen Simon Schelling als Benoît, Lars Bo Ravnbak als Parpignol und Steffen Bruun als Alcindoro.
Im Orchestergraben lassen Paolo Carignani und Det Kongelige Kapel Puccinis Partitur in dynamisch differenziert ausgestalteter Klangqualität erstrahlen. Der Maestro trägt die Sänger mit faszinierender Sensibilität auf Händen. Ein wunderbarer Opernabend!
Kaspar Sannemann, 10.3.22
Bilder (c) Oper Kopenhagen – Camilla Winther