
Angekündigt war eine semiszenische Aufführung, doch die spannende Inszenierung Bruno Berger-Gorski`s mit Bezügen zum aktuellen Nahost – Krieg begann schon mit einer Kontrolle im Eingangsbereich durch schwer bewaffnete und vermummte Soldaten. Die überraschten Zuschauer wurden durch Gittergassen geführt und arabische Frauen in Burkas protestierten mit geballten Fäusten mit ihren abgenommenen Kopftüchern gegen den Diktator Tolomeo und erinnerten an den Aufstand der Frauen im Iran. Während der Kriegsarien liefen vermummte Krieger Cesar`s bzw Tolomeo`s durch die Logen und das Parkett und kämpften auf der Vorbühne -man war mitten im Kriegsgeschehen.
Bruno Berger Gorski inszenierte schon letztes Jahr in Las Palmas „Roberto Devereux“ mit der ideal besetzten Yolanda Auyuanet als packendes Drama mit geköpftem Haupt der Anna Bolena und auch diesmal wurde das abgeschlagene Haupt von Polomeo im blutigen Tuch durch triumphierende Krieger präsentiert. Berger-Gorski inszenierte Giulio Césare in Egitto im Teatro Guimera als politisch aktuelles Drama mit einer hochkarätigen Besetzung unter Ottavio Dantone, die zu Begeisterungsstürmen beim international zusammengesetzten Publikum führte. Aufmarschierende Truppen und fahrende Panzer mit choreografisch genau einstudierten Soldaten überraschten immer wieder das Publikum und Projektionen (Pedro Chamicho ) von aktuellen wie früheren Diktatoren sowie verschleierte Frauen auf der Flucht verstärkten den Eindruck der Aktualität von Händel`s Meisterwerk.
Moderne Kleopatras von heute erinnerten an bekannte Politiker a la Kamela Harris und waren als Doubles und Projektionen omnipräsent. Melania Trump als heutige „Cleopatra“ verdeutlichte die Beziehung Giulio César`s und Cleopatra`s , die wie viele aktuelle Herrscher und Führungspersönlichkeiten nur noch auf Macht und Einfluss beruht. Gefühle werden durch Cleopatra berechnend zur Manipulation genutzt, um César zu besiegen und die Macht über Ägypten zu gewinnen. In Berger-Gorski’s Schlusszen nehmen Cleopatra und Ihre modernen Doubles triumphierend den Herrscherthron ein und lassen ihre neue Macht-Position medienwirksam übertragen, während auf dem Rückprospekt der Schriftzug „Amor?“ mit Fragezeichen projiziert wird.
Der überragend singende und schauspielerisch überzeugende Raffaele Pe als César bemerkt zu spät, dass Cleopatra ihn nur ‚benutzt‘ hat. Auch das Publikum wurde wie César von der alles beherrschenden und wunderbar berührend singenden Marie Lys in ihren Bann gezogen und ließ sich zu Beifallstürmen mitten in ihren Arien hinreißen.
Dramaturgisch konsequent traten die heutigen ‚Cleopatras‘ in moderner Kleidung auf und kontrastierten mit den bewaffneten arabischen Kämpfern, die sowohl für den Diktator Achila (hervorragend besetzt durch Davide Giangregorio mit seinem warm timbrierten Bass – Bariton, der sich wunderbar von den 3 Countertenören absetzte ) wie auch für den Tyrannen Tolomeo in den Krieg zogen. Filippo Mineccia als tyrannischer Tolomeo überzeugte mit hinreißenden Koloraturen und diabolischer Bühnenpräsenz – in diesem Konzept kein alberner Dümmling, sondern ein machtbesessener Stratege, dessen politischen Pläne zu den Projektionen von Putin und Chomeini passten.
Als attraktive ‘Cornelia’ packend und überzeugend als stimmliche wie darstellerische Idealbesetzung zu erleben war Delphine Galou als Witwe Pompeo’s, die immer wieder bedrängt wird. Ihre verschleierten Vertrauten in Burkas verstärkten die permanente Bedrohung und passten zu den Filmen der Flüchtlingsströme von Müttern mit Kindern.
Überraschend das triumphale Debut als ‘Sesto’ des jungen Counters und internationalen Preisträger Maximiliano Danta aus Uruguay! Die szenischen Aktionen der genau choreographisch einstudierten Kämpfer versetzten das Publikum in ein Kriegsgeschehen, dass wie das Dirigat Ottavio Dantone`s unter die Haut ging – Textkollagen und Videos verstärkten die politische Aktualität des Werkes und angesichts der gewaltsamen Okkupationen im Nahen Osten und Ägypten`s durch verschiedene Macht- Interessen wirkten die Wiederholungen der Macho- Arien von Tolomeo und Achila besonders aggressiv und aktuell durch Diktatoren, die glauben mit köpfenden Kampftruppen ihren Anspruch auf die Herrschaft über ein Land oder Volk begründen zu können.
Besonders beeindruckend im Bühnenbild von Carlos Santos die zu Kriegsbeginn bedrohlich abfahrenden Kanonen. Eine auf den Kopf gestellte Pyramide diente genial als Projektionsfläche innerer Gedanken und Projektionsfläche verschiedener Kriegsschauplätze.
Marie Lys beherrschte als eiskalt agierende Strategin in Haute Couture (Kostüme Leo Martinez) neben Raffaele Pe als momentan sicher darstellerisch wie stimmlich besten ‚Cesar’-Interpreten das Bühnengeschehen.
Ottavio Dantone und sein berühmtes Ensemble Accademia Bizantina wurden gemeinsam mit ihren Originalinstrumenten und den Sängern wie dem Regieteam begeistert gefeiert.
In der Pause lud der umtriebige Intendant José Luis Riveiro zu einem Drink auf die offene Piazza vor dem Teatro Guimera und präsentierte den jungen Counter David Batista von den Canaren mit einer Händel-Arie aus „Rinaldo“, denn der 27-jährige Nachwuchs-Counter steht am Anfang einer vielversprechenden Karriere. Nächste Spielzeit ist mit ‚Acis & Galatea‘ eine weitere Händel- Neuproduktion aber auch spanische Erst-Aufführungen von Peter Eötvös und Henze geplant! Ein Besuch des Auditorio Tenerife in St.Cruz lohnt sich auf jeden Fall.
Gunhild Kranz 3. März 2025
Dank an unsere Freunde vom MERKER-online
Giulio Cesare in Egitto
Georg Friedrich Händel
St. Cruz / Teneriffa
12. Februar 2025
Regie: Bruno Berger-Gorski
Ottavio Dantone mit der Accademia Bizantina