am 13. Mai 2021
Endlich wieder große Oper live – nun auch in Deutschland!
In seiner kurzen und mit dem Hervorheben der Bedeutung von Musiktheater auch teilweise emotionalen Ansprache vor der konzertanten Aufführung des 1. Aufzugs der „Walküre“ von Richard Wagner sagte Intendant Nikolaus Bachler „Das ist fast ein historischer Moment!“
Hiermit und mit dem Hinweis auf die Uraufführung der „Walküre“ 1870 in München sowie seiner Überzeugung, dass das Staatsorchester die Partitur in der DNA habe, konnte Bachler die Erwartungen und Gefühle der etwa 700 Besucher in der innerhalb eines Tages ausverkauften Bayerischen Staatsoper München kaum besser treffen. Seit Oktober 2020 wurde in diesem wunderschönen Hause wegen Covid 19 nicht mehr gespielt, aber „viel gearbeitet und produziert“, nachdem im Oktober der durchaus erfolgreiche Versuch, es mit 500 Besuchern pro Abend zu machen, beendet worden war. „Die Vögel“ von Walter Braunfels gingen dann am 31. Oktober vor unverständlichen 50 (!) Besuchern über die Bühne. Man merkte Bachler und dem Publikum an, dass hier etwas ganz Besonderes stattfinden würde, was letzteres auch damit zeigte, dass es beim Einzug des Bayerischen Staatsorchesters von den Sitzen sprang und Applaus mit Begeisterungsrufen gab, als hätte das Stück gerade stattgefunden…
Begeistern konnte natürlich auch die exzellente Besetzung der drei Partien.
Jonas Kaufmann als Siegmund, Lise Davidsen als Sieglinde und Georg Zeppenfeld als Hunding kamen zu ihren jeweiligen Einsätzen auf die Bühne. Nicht nur damit, sondern auch mit ihrer situationsbezogenen Interaktion durch langsame physische Annäherung der beiden Wälsungen und ausgeprägte Mimik aller drei kam auch ein gewisses Maß an Dramaturgie auf, was den Gesamteindruck dieser eher als semi-konzertant zu bezeichnenden Vorstellung noch erhöhte.
Jonas Kaufmann ist ein Siegmund aus dem Bilderbuch. Böses mit der Ankunft Hundings ahnend trägt er engagiert und energisch die Geschichte seiner Herkunft vor, die er mit einem lyrischen „Nun weißt Du, fragende Frau, warum ich Friedmund – nicht heiße!“ nahezu zärtlich beendet, offensichtlich schon in der Erwartung des Kommenden. Großartig und lang schmettert er mit ganzer vokaler Kraft die Wälsungenrufe und steigert die Spannung im Dialog mit Sieglinde bis zu einem eindrucksvoll gelingenden „Wälsungenblut“. Die „Winterstürme“ singt Kaufmann natürlich lyrisch wie ein Lied. Nicht nur hier fabriziert er aber immer wieder im Piano guttural klingende Töne auf den dunklen Vokalen, was nicht unbedingt jedermanns Sache ist. Man könnte es als einen Manierismus bezeichnen, vielleicht ist es auch nur Geschmackssache – meiner wäre es dann nicht. Ein bisschen mehr straight forward wie bei Pjotr Beczala wäre mir da lieber. Im Forte geht es ja auch bei Kaufmann. Jedenfalls gefiel er mir an diesem Abend besser als bei seinem Parsifal in Wien.
Lise Davidsen, die erfolgreiche „Tannhäuser“-Elisabeth aus Bayreuth, machte mit dieser Sieglinde einmal mehr klar, dass sie ein Supertalent für die Wagner-Bühne ist, und nicht nur diese. Klar, transparent und prägnant erklingt ihr kraftvoller und in jeder Tonlage blühender Sopran, der selbst Klippen wie „ süßeste Rache sühnte dann Alles“ mit Leichtigkeit meistert. Sie ist auch zu großer Attacke fähig wie mit ihrem „So bleibe hier!“ und singt eine großartige strahlende Höhe mit „…bis zum Heft haftet es drin“ und beim finalen Ausruf „Siegmund – so nenn ich dich!“ Davidsen versprüht unentwegt vokalen Glanz und war für mich an diesem Abend am besten in Form.
Georg Zeppenfeld, der vor kurzem erst als Gurnemanz in Wien glänzen konnte, war ein überaus gestrenger Hunding mit seinem klar konturierten, farbenreichen sowie ausdrucksstarken Bass sowie viel Drohpotential in der Stimme. Er ist sicher derzeit einer der drei, vier Besten seines Fachs und bildete einen eindrucksvollen stimmlichen und darstellerischen Kontrast zu den beiden Wälsungen. So war es ein starkes Trio!
Asher Fisch leitete das Bayerische Stastorchester mit viel Verve und intensivem Kontakt zu den Sängern. Er wählte des Öfteren relativ langsame Tempi, verfiel aber nie in Pathos. Es war eine eher auf Transparenz und Detail angelegte Interpretation der grandiosen Musik des Bayreuther Meisters.
Der Vorhang war schon zu, und alle dachten, das war’s. Dann ging er nochmal auf! Keiner hatte bis dahin des Saal verlassen. Die vier hatten noch drei Zugabe-Zuckerl parat, mit Asher Fisch am blitzschnell herbeigezauberten Steinway & Sons. Zuerst gab Jonas Kaufman mit viel Feingefühl das Wesendonck-Lied „Träume“. Lise Davidsen folgte mit einem mir leider unbekannten Lied, und Georg Zeppenfeld sang aus der „Schweigsamen Frau“ von Richard Strauss „Wie schön ist doch die Musik…“, eine Arie, mit der sich Kurt Moll hier in München unvergesslich machte. Das Publikum war begeistert. Immer wieder gab es das Trampeln wie in Bayreuth, wo es wegen des hohlen Bodens aber intensiver klingt. Fast alle waren bis zum letzten Vorhang im Saal und dankbar, bei diesem Erlebnis dabei gewesen zu sein. Wie schön doch, dass sich die Oper nicht digitalisieren lässt!
Fotos: Klaus Billand
Klaus Billand/16.5.2021