Am Ende, wenn in der finalen Katastrophe das Streben nach Macht und Unsterblichkeit alle vernichtet hat, erscheint als Projektion wieder ein Zwillingspärchen im Mutterleib, lächelnd, sich umarmend. Wie zu Beginn des Rheingolds, mit dem Unterschied, dass hier eine friedliche Zukunft aufscheint, kein Kampf mit Verletzungen. Tod und Vernichtung beenden diese Geschichte, damit die Zukunft nicht von der Vergangenheit belastet wird. Das Kind von Siegfried und Brünnhilde, das jüngste Mitglied in der Familie und somit Hoffnungsträger für alle, verlässt am Ende wütend das Geschehen, es sucht woanders sein Glück. Zu lange war es Spielball der Zwistigkeiten. Ein Opfer der Umstände wie alle anderen. Die Botschaft, dass wir das Leben und die Welt durch den Umgang mit unseren Kindern und dem, was wir vermitteln, gestalten, vermittelt Valentin Schwarz sehr deutlich in dieser, sicherlich nicht immer ganz verständlichen, aber packenden Deutung. Im Verlauf der Handlung wird hier immer wieder aufgezeigt, was passiert, wenn das eigene Streben und der Wille nach Durchsetzung der eigenen Ziele zur Instrumentalisierung der Nachfolgegenerationen führen. Das Scheitern ist dann vorprogrammiert.
Auch in der Götterdämmerung ist wieder die ganz aus der Musik entwickelte Personenführung und die schonungslose Offenlegung der Charaktere der handelnden Figuren absolut faszinierend.
Simone Young beschert dem begeisterten Publikum eine in der Spannung nie abreißende Interpretation. Zusammen mit der hervorragenden Leistung des Festspielorchesters erklingt die Musik in all ihren Facetten mitreißend und berührend. Wieder begleitet sie die Sänger mit nie nachlassender Aufmerksamkeit und sorgt für eine wunderbare Balance des Klangs zwischen Orchester und Bühne. Gleichzeitig nutzt sie, wie im Trauermarsch, die Möglichkeit, groß aufzutrumpfen und das Grandiose der Musik herauszustellen. Ein überragendes Erlebnis.

© Bayreuther Festspiele / Enrico Nawrath
Unübertroffen der Siegfried von Klaus Florian Vogt, der mit nie nachlassender Kondition und idiomatisch timbrierter Stimme überzeugt. Seine in allen Lagen gleichmäßig ansprechende Stimme ermöglicht es ihm, sowohl das Heldische als auch die ganz verinnerlichte Sterbeszene wunderbar auszugestalten.
Die Tragödie von Brünnhilde wird von Catherine Foster mit höchster Intensität dargestellt. Sie durchlebt die Stationen, vom Verlassenwerden, der brutalen Eroberung durch den getarnten Siegfried bis zum Erkennen des Verrats und dem Entschluss zum Mord mit einer großen Glaubwürdigkeit. Gesanglich stehen ihr hier alle Mittel zur Verfügung, von den leisen innigen Tönen bis hin zur Raserei angesichts des Schicksals, das die Götter ihr beschert haben. Auch sie kennt keine Ermüdungserscheinungen und beindruckt mit nie nachlassender stimmlicher Qualität.

© Bayreuther Festspiele / Enrico Nawrath
Wieder ein besonderes Ereignis ist die von Christa Mayer faszinierend gestaltete Waltrauten-Szene. Was diese Sängerin durch die kluge und genaue Interpretation des Textes mit ihrer wunderbar strömenden, intensiven Stimme erreicht, ist ein besonderer Höhepunkt an diesem großartigen Abend.
Mika Kares klang in der Höhe etwas angestrengt, konnte aber mit seinem sonoren Bass und seiner Darstellung als Hagen überzeugen. Zusammen mit dem von Thomas Eitler de Lint einstudierten Festspielchor, wie immer stimmgewaltig und klangschönen, entsteht eine mitreißende, bedrohlich gesungene Mannen-Szene. Mit Olafur Sigurdarsons stimmigem Alberich ergibt sich eine spannungsvolle, unheimliche erste Szene des zweiten Aktes.
Michael Kupfer-Radecky und Gabriela Scherer überzeugen stimmlich und darstellerisch sowohl als überkandidelte, ahnungslose Neureiche als auch als von Hagen ins Verderben geführte Geschwisterpaar Gunther und Gutrune.

© Bayreuther Festspiele / Enrico Nawrath
Hervorragend in Homogenität und Klangschönheit, gepaart mit viel Spielfreude Noa Beinart, Alexandra Ionis und Dorothea Herbert als Nornen sowie Katharina Konradi, Natalia Skrycha und Marie Henriette Reinhold als Rheintöchter.
Ein großes Lob geht an das Kind aus der Kinderstatisterie der Bayreuther Festspiele, das glaubhaft die verzweifelte Situation vermittelt, in der es sich im Verlauf der Handlung immer mehr gefangen sieht. Chapeau! Ebenso überzeugte Igor Schwab als Brünnhildes Vertrauter sowie als von Hagen grausam malträtierter Grane.

© Bayreuther Festspiele / Enrico Nawrath
Das Publikum spendete am Ende ohrenbetäubenden Beifall und Bravorufe. Natürlich blieben die Buhrufe für den Regisseur nicht aus, wurden aber von Applaus und Bravorufen lautstark gekontert. Es ist an dieser Stelle müßig, darüber zu spekulieren, warum sich Leute eine Karte für diesen Ring kaufen, wohl wissend, dass die Inszenierung, über die schon so viel geschrieben wurde, ihnen nicht zusagt. Es bleibt ein Rätsel.
Positiv ist noch anzumerken, dass diesmal während dieses ersten Zyklus nur ein einziges Mal ein Handy geklingelt hat. Wenn jetzt noch vermieden würde, dass zwischendurch Handys und andere Gegenstände störend runterfallen, hätte man endlich wieder die benötigte Stille, die es für das Erleben einer Opernaufführung, egal wo, benötigt.
Axel Wuttke, 31. Juli 2025
Hier geht es zur ersten Besprechung.
Der Ring des Nibelungen
Dritter Tag Götterdämmerung
Text und Musik von Richard Wagner
Bayreuther Festspiele
Aufführung am 31. Juli 2025
Premiere 30. Juli 2022
Inszenierung: Valentin Schwarz
Musikalische Leitung: Simone Young
Orchester der Bayreuther Festspiele
Weitere Vorstellung am 20. August 2025