Gerne denkt man an die Stuttgarter Produktion von John Adams‘ 1987 an der Houston Grand Opera erfolgreich aus der Taufe gehobener Oper Nixon in China aus dem Jahr 2019 zurück. Das war eine ganz bemerkenswerte Aufführung, die hoffentlich in absehbarer Zeit auch einmal auf DVD veröffentlich werden wird. Sehr erfreulich ist es, dass dieses Werk bei dem Label NAXOS auf CD erhältlich ist. Hier haben wir es mit einer ausgesprochen modernen, sogar historischen Oper zu tun. Auf den ersten Blick könnte man auf den Gedanken kommen, dass die Nachrichten bei diesem Stück in die Oper gehen, denn hier haben wir es mit einem ausgesprochen interessanten Stück ehemaliger Tagespolitik zu tun. In diesem beachtlichen Werk geht es um den ersten Staatsbesuch des amerikanischen Präsidenten Nixon in der Volksrepublik China im Februar 1972. Im Zentrum der Handlung steht dabei die Medienwirksamkeit von Nixons Staatsbesuch in China. Erwähnenswert ist zudem, dass Nixon mit diesem Besuch China die westliche Welt erschlossen hat – ein Fakt, der auch für seine Wiederwahl essentiell gewesen sein dürfte. In Nixons Reise nach Peking liegt eine Wurzel dessen, wie heute Politik gemacht wird. Librettistin Alice Goodman kam es darauf an, eine große heroische Oper zu schreiben. Sämtliche Figuren sind darauf bedacht, sich als Helden zu gerieren. Nachhaltig stellt Nixon in China die Frage, wer die Helden des 20. Jahrhunderts sind und was sie ausmacht. Der ganze Staatsbesuch Nixons ist eine einzige, groß angelegte Heldenkonstruktion.
John Adams‘ Musik ist recht beeindruckend. In erster Linie setzt der Komponist hier auf Minimal-Music. Indes bringt er auch andere Faktoren ins Spiel, wie beispielweise das Musical. Eine Stelle gemahnt stark an Leonard Bernsteins West Side Story. Traditionelle Oper lässt Adams ebenfalls in sein Werk mit einfließen. So vernimmt man einmal Jochanaan-Musik aus Richard Strauss‘ Salome. Anklänge an Wagner und Schönberg werden ebenfalls deutlich. Jazz-Elementen wird in gleicher Weise gehuldigt. Daraus resultiert ein sehr ansprechendes Klanggemisch, das durchaus zu gefallen vermag und bei Marin Alsop und dem bestens disponierten Colorado Symphony Orchestra in den besten Händen ist. Dirigentin und Orchester legen sich mächtig ins Zeug und erzeugen einen markanten, sehr intensiven und durchsichtigen Klangteppich mit einem Maximum an Ausdrucksstärke. Herrlich muten im dritten Akt die zahlreichen Streicherkantilenen an und auch die Zitate aus der Musikgeschichte hat Frau Alsop trefflich herausgestellt.
Zum größten Teil zufrieden sein kann man auch mit den Sängern. Die einzige Ausnahme bildet leider der Sänger des Nixon: Robert Orth singt den amerikanischen Präsidenten mit stark in der Maske sitzendem und recht trocken klingendem Bariton. Insgesamt scheint er mehr auf den Tönen zu sprechen als zu singen. Seine Kollegen sind ihm da weit überlegen. Ein Hochgenuss ist es, Marc Heller zuzuhören, der einen ungemein klangvollen, baritonal timbrierten, strahlkräftigen und bestens italienisch geschulten Tenor in die Rolle des Mao Tse-tung einbringt. Dass er manchmal in die Fistelstimme geht, was eigentlich nicht sein sollte, dürfte den Anweisungen des Komponisten in der Partitur geschuldet sein. Mit hervorragend fokussiertem, warmem und tiefgründigem Sopranklang stattet Maria Kanyova die Pat Nixon aus. Tracy Dahl bewältigt mit tadellos verankertem, gut ansprechendem Sopran die hohe Tessitura der Chiang Ch’ing (Madame Mao Tse-tung) hervorragend. Recht sonor und geschmeidig klingt der Chou En-lai von Chen-Ye Yuan. Ebenfalls einen trefflichen Eindruck hinterlässt Thomas Hammons‘ voll und rund klingender Bass als Henry Kissinger. Melissa Malde, Julie Simson und Jennifer DeDominici in den Partien der drei Sekretärinnen bilden einen homogenen Gesamtklang. Prächtig klingt der von Douglas Kinney Frost einstudierte Opera Colorado Chorus.
Ludwig Steinbach 7. März 2024