DVD: „Le Nozze di Figaro“, Wolfgang Amadeus Mozart

Bei dem Label Unitel ist jüngst ein DVD-Mitschnitt von Mozarts Le Nozze di Figaro erschienen, der bei den Salzburger Festspielen 2023 aufgezeichnet wurde. Das Inszenierungsteam um Martin Kusej (Regie), Raimund Orfeo Voigt (Bühnenbild) und Alan Hranitelj (Kostüme) hat gute Arbeit geleistet. Wie nicht anders zu erwarten war, erteilen sie jeder altbackenen konventionellen Sichtweise eine klare Absage und siedeln das Ganze in einem modernen Ambiente an.

Bei ihnen spielt sich die heitere Handlung Ende der 1970er Jahre in einem Hotel ab. Hier hat sich die Mafia unter ihrem Anführer Graf Almaviva ausgebreitet und geht rege ihrem gesetzlosen Treiben nach. Gleich zu Beginn erlebt man einen Raubmord. Zudem wird man Zeuge eines ausgemachten Drogenkonsums. Jeder wirft das ihm zusagende Rauschgift ein. Dass man sich hier unter ausgemachten Verbrechern befindet, daran kann kein vernünftiger Zweifel bestehen. Das Ambiente des Hotels sieht wenig einladend aus. Es besteht aus einer Reihe grauer, kahler und trister Räume, die eisige Kälte verbreiten. Da fällt schon mal eine Reihe von gefüllten Müllsäcken vom Himmel und streiten sich Susanna und Marcelline in einer kargen Toilette vergnüglich um den Vortritt. Am gemütlichsten ist es noch in der am Anfang erscheinenden Bar, in der Figaro die Gläser zählt und in der Don Curzio als Barkeeper arbeitet. Hier findet später auch die Wiedererkennungs-Szene zwischen dem Titelhelden und seinen Eltern Bartolo und Marcellina statt.

Figaro ist bei Kusej ein Handlanger des mafiösen Almaviva, der den Fehler macht, die Favoritin seines Chefs zu ehelichen. Da hat dieser rundweg was dagegen. Don Basilio erscheint hier als Priester und Cherubino als androgynes Wesen, das indes sehr weiblich wirkt. Andererseits ist diese Clique von Übeltätern durchaus nicht unsympathisch, mag sie sich auch noch so sehr den Ausschweifungen von Sex und Crime hingeben. Auch mit Nacktheit arbeitet der Regisseur genüsslich. Zu Beginn des zweiten Aktes sieht man im schäbigen Badezimmer der Gräfin Almaviva eine gänzlich unbekleidete Frau auf der Badewanne sitzen. Und im dritten Akt hilft eine barbusige Dienerin dem Grafen beim Ankleiden. Mit der Bevölkerung geht man hier nicht gerade zimperlich um. Der von Figaro im ersten Akt aufgebotene Chor besteht aus einer Reihe geschundener, blutverschmierter Mädchen, die trotz starken Regens von der Titelperson gnadenlos ins Freie gescheucht werden. Im vierten Akt findet schließlich ein munteres Versteckspiel unter Schilf statt. Insgesamt haben wir es mit einer gelungenen, kurzweiligen und von einer abwechslungsreichen Personenregie geprägten Inszenierung zu tun, die dem Unterhaltungsanspruch voll und ganz genügt. Diese Mafia-Ballade ist ausgesprochen sehenswert.

Bei Raphael Pichon ist Mozarts Oper in guten Händen. Er bevorzugt einen mehr schroffen Klang im Gegensatz zu den traditionellen weichen und geschmeidigen Auffassungen älterer Dirigenten. Er lotet das Werk sehr energisch aus und setzt dabei zudem auf eine vorbildliche Beleuchtung der verschiedenen Klangfarben. Die bestens disponierten Wiener Philharmoniker setzen seine Intentionen klangschön und mit viel Esprit um.

Bei den Sängern halten sich Positiva und Negativa die Waage. Hervorragend schneidet in erster Linie das gräfliche Paar ab. André Schuen singt den Conte Almaviva mit sonorem, farbenreichem Bariton-Klang und einer phantastischen italienischen Technik. Auch darstellerisch geht er in seiner Rolle voll auf. Mit ebenfalls bestens italienisch fundierter Stimme, einem warmen, gefühlvollen und innigen Sopranklang sowie vorbildlicher Linienführung stattet Adriana Gonzalez die Contessa Almaviva aus. Ein markant singender Figaro mit sicherer Höhe ist Krzystof Baczyk, der seinem Part auch schauspielerisch sehr gerecht wird. Don Bartolo gibt der robust intonierende Peter Kalman. Volles, rundes Mezzosopran-Material bringt Kristina Hammerström in die Rolle der Marcellina ein. Mit vorbildlich im Körper verankertem Tenor wertet Andrew Morstein die kurze Partie des Don Curzio auf. Lediglich durchschnittlich muten die über keine solide Körperstütze ihrer Stimmen verfügenden Sabine Devieilhe und Lea Desandre als Susanna und Cherubino an. Ausgesprochen dünnstimmig präsentiert sich auch Serafina Starkes Barbarina. Arg ist es um den ebenfalls sehr flach und maskig klingenden Basilio von Manuel Günther bestellt. Mit sattem Bass stattet Rafal Pawnuk den Antonio aus.

Ludwig Steinbach, 29. August 2024


DVD: Le Nozze di Figaro
Wolfgang Amadeus Mozart
Salzburger Festspiele 2023

Inszenierung: Martin Kusej
Musikalische Leitung: Raphael Pichon

Unitel
Best.Nr.: 810808
2 DVDs