Aufführung im Kongresshaus Rosengarten Coburg 06.01.2018
„Johann Strauss in Paris“ hat ein bisschen wenig von der Strauss-Familie
Zum 31ten Mal findet nun in Coburg das Neujahrskonzert statt, es ist mein 23. Konzert in Folge und ich überlege ob ich nächstes Jahr wieder dabei bin. Jedes Jahr bin ich gerne nach Coburg gefahren und habe mich von den Klängen der Strausschen Familie und ihrer Zeitgenossen einfangen lassen. So konnte das Jahr gut beginnen, viele Jahre im etwas verträumten intimen Rahmen mit einfallsreichen Kommentaren der Straussnachfahren. Im letzten Jahr feierte man unter dem Titel „Johann Strauss in Böhmen“ ein Konzert, welches sich schon deutlich von den Sträussen entfernt hatte und im musikalischen Bereichen zwar mit anderen Neujahrskonzerten konkurrieren konnte, das eigentliche und bezaubernde Flair der Musik des Walzerkönigs aber geriet etwas in den Hintergrund. Und in diesem Jahr benannte man das Konzert einfach „Johann Strauss in Paris“ und von unserem Schani blieb praktisch nicht mehr viel übrig. Man machte sich bei den ganzen 3 (!) Stücken von Strauss nicht einmal mehr die Mühe zwischen Strauss Vater und Sohn zu unterscheiden, das Programmheft schreibt einfach Johann Strauss, da kann man sich dann selber aussuchen, welcher gemeint ist. Für mich hat dieses Konzert, so schön, leidenschaftlich und feurig es auch musiziert wird, nichts mehr viel mit den Neujahrskonzerten, die man in Coburg vor allem wegen der Sträusse liebt, zu tun. Man strapaziert die Intelligenz der Zuhörer schon etwas, wenn man ihnen mit „Strauss in Paris“ einen Zusammenhang der Stücke von Sarasate, Saint-Saens, Gounod, Messager mit der Strausschen Musik suggeriert. In anderen Spielorten gehören die Stücke des diesjährigen Neujahrskonzertes zum Standardrepertoire, in Coburg hat jedoch bisher immer die Straussfamilie dominiert und dies hat auch den Reiz dieser einzigartigen Neujahrskonzerte ausgemacht und so sollte es auch wieder werden.
Oberbürgermeister Norbert Tessmer, begrüßt die Besucher des 31ten Konzerts zum 16ten Mal und er tut dies wie immer kurzweilig und launig, bleibt auch erfrischend kurz und überbringt dem ausverkauften Haus die Neujahrsgrüße der Stadt. Und dann erläutert er nochmals die Ausnahmesituation von Strauss in Coburg und wie sehr man stolz ist auf ihn, den Walzerkönig. Ja, dann sollte man aber auch wieder etwas mehr von ihm spielen.
Der ehemalige Intendant des Landestheaters Coburg, Bodo Busse, übernimmt erneut die Moderation des Neujahrskonzertes. Auch diesmal kenntnisreich, mit kleinen Bonmots gespickt, humorvoll und ausführlich. Und auch in diesem Jahr viele Dinge, die nicht unbedingt in ein Coburger Neujahrskonzert hineingehören zB. Informationen aus Saarbrücke, Aussagen zum geplanten Theaterumbau und die Diskussion über mögliche Ausweichstätten. Dies ist zwar alles interessant, hat für mich aber nicht so viel mit einem Neujahrskonzert zu tun. Sicher werde ich mir jetzt den Zorn vieler Coburger herbeigeschrieben haben, aber ich liebe Coburg, ich liebe das Coburger Neujahrskonzert, aber auf diese Art und Weise verliert es seinen Zauber und sein Flair und seine Einzigartigkeit. Das ist einfach schade, aber solange das Publikum applaudiert, wird man vermutlich so weitermachen und im nächsten Jahr „Johann Strauss in Russland“ zu Gehör bringen. Aber ich bin immer noch guter Hoffnung, dass man sich wieder an Bewährtes zurückerinnert
Roland Kluttig mit dem Philharmonisches Orchester des Landestheaters Coburg
Roland Kluttig, der Generalmusikdirektor des Landestheaters Coburg musiziert erneut mit seinem ausgezeichneten Philharmonischen Orchester des Landestheaters. Und man kann seine Leidenschaft und Hingabe in jeder Sekunde sehen, spüren und mitbekommen. er lebt mit seinem Orchester. Er wirft sich mit einem Feuer in die Musik, die sicher seinesgleichen sucht und er führt seine Musiker mit fester, sicherer und straff leitender Hand, gibt ihnen aber auch immer wieder genügend Spielraum und nimmt die Klangwogen des Orchesters bei der Begleitung der Sänger wohltuend zurück. Allein ihm am Pult zuzuschauen macht einfach einen riesengroßen Spaß. Man merkt ihm an, dass ihm die Musik Freude bereitet, dass ihm seine Musiker Freude bereiten und dies alles lebt er auf dem Dirigentenpult aus. Das Publikum honoriert seine Leistung, aber auch die Leistung jedes einzelnen seiner Orchestermusiker mit donnerndem langanhaltenden Applaus. Bei allen Einwänden, die ich gegen die Form der Musikauswahl habe, muss ich doch den gekonnten Umgang mit der Musik anerkennen. Das Orchester folgt ihm auch in allen Bereichen und trägt seinen Teil zum Gelingen des ausgedehnten Vormittags bei.
Das Neujahrskonzert beginnt mit Ouvertüre, Minuetto und Farandole aus der Musik zu „L´Arlésienne“ von Georges Bizet. Das Orchester ist sichtlich gut aufgelegt und bringt die bekannte Musikweise in beeindruckender Weise an seine Zuhörer. Das Werk 1872 ursprünglich als Bühnenmusik zu dem gleichnamigen Schauspiel von Alphonse Daudet kann man als außergewöhnlich gelungen bezeichnen und erhält großen anhaltenden Beifall.
Dann zeigt das Orchester, wie sich die die Sträusse mit dem Thema Paris befassen. Zuerst erklingt der Walzer „Paris“ von Johann Strauss Vater und gleich danach die Polka „Die Pariserin“ von Johann Strauss Sohn. Der Walzer wird mit vollem, warmen und klarem Klang dargeboten, während die Polka etwas schlanker, humorvoller und voller Pfeffer erklingt. Beide Stücke ernten zu Recht reichlichen Beifall.
Von Pablo Sarasate erklingt dann „Carmen“ eine Konzertphantasie für Violine und Orchester. Das Orchester auch hier wieder gefühlvoll, klangvoll, weich und warm und an der Violine, einer wertvollen Leihgabe von Antonio Stradivari die blutjunge Geigerin Roberta Verna aus Würzburg. Es ist beeindruckend, wie gefühlvoll, mit klarem reinen Strich diese junge Künstlerin, die schon eine große Zahl von Preisen eingeheimst hat, ihr Talent präsentieren kann. Mit makellosem Spiel, inspirierten Passagen und ausgedehnten Melodienbögen verzaubert sie die Zuhörer und gibt zu großem und enthusiastischem Jubel Anlass. Wir werden von dieser jungen sympathischen Künstlerin mit Sicherheit noch viel hören.
Nach der Pause dann von Camille Saint-Saens „Danse Macabre, op. 40“. Dieser „Totentanz“ wird leidenschaftlich und voller Feuer musiziert und vor allem Megumi Ikeda sticht mit einem hervorragenden Geigensolo heraus. Schwungvoll, leidenschaftlich, die Zuhörer mitnehmend und beeindruckend, so könnte man es zusammenfassen.
Mit dem Gebet des Valentin aus der Oper „Faust“ von Charles Gounod stellt sich ein junger Bariton vor, der seit dieser Spielzeit am Landestheater Coburg engagiert ist. Und hier kann man sich wirklich freuen, denn Franz Xaver Schlecht hat einen kräftigen, wundervoll wohlklingenden weichen und warmen Bariton, der das Publikum sehr beeindruckt, welches auch nicht mit langanhaltendem herzlichem Applaus spart. Eine exzellente Leistung des jungen Künstlers.
Franz Xaver Schlecht
Mit der Arie „J ai deux amants“ aus „L amour masqué“ von André Messager stellt sich dann die junge charmante Sopranistin Francesca Paratore vor. Mit weichem, gefühlvollem, flirrenden Sopran, der auch spitzbübische Seiten zeigte kann sie die Zuhörer im Sturm für sich einnehmen und verdienten großen Applaus einheimsen. Auch von ihr hätte man gerne mehr gehört – noch besser wäre ein Duett mit Franz Xaver Schlecht gewesen. Ich verstehe nicht, warum man sich diese Möglichkeiten entgehen lässt. Schade, aber hoffentlich auf ein baldiges Wiedersehen.
Zum Schluss des offiziellen Programms kann das Philharmonische Orchester unter Roland Kluttig noch einmal so richtig in die Vollen gehen. Danse Diabolique von Richard Hellmesberger wird flott, rasant und leidenschaftlich zum krönenden Abschluss gespielt
Jetzt kann ich die Worte vom letzten Jahr übernehmen, denn das Publikum hält es nicht mehr auf den Sitzen, und unter stehenden Ovationen erklingt die temperamentvolle Polka „Unter Donner und Blitz“ von Johann Strauss Sohn. Und – fast möchte ich sagen natürlich – beendet man das Konzert mit dem als Rausschmeißer fungierenden unverwüstlichen Radetzkymarsch von Johann Strauss Vater, der schwungvoll das Neujahrskonzert beschließt.
Am Ende des 31. Neujahrskonzerts kann man nur hoffen, dass sich Coburg wieder auf die alte bewährte Form des Neujahrskonzertes besinnt, wie sie einmalig und ein wahres Aushängeschild für Coburg war, und dem Walzerkönig und seinen Zeitgenossen wieder den Platz einräumt, der dieses Neujahrskonzert von allen anderen positiv unterscheidet. Dieser Wunsch fürs neue Jahr sei mir gestattet.
Manfred Drescher 12.01.2018
Foto 1: Eigenaufnahmen Foto 2: Landestheater Coburg