Duisburg: „B.36 – Schwanensee“

Schwanensee

Premiere Duisburg: 28.09.2018

Nach der umjubelten Premiere in Düsseldorf und dort folgenden restlos ausverkauften Vorstellungen fand zu Beginn dieser Spielzeit die Übernahme-Premiere des „Schwanensee“ in Duisburg statt. Auch hier zeigte sich das Haus sehr gut gefüllt. Zum Thema Handlungsballett und Martin Schläpfers Ansichten hierzu wurde in der Vergangenheit genug geschrieben, daher soll dies an dieser Stelle nicht alles endlos wiederholt werden. Interessant in diesem Zusammenhang höchstens noch, dass auf dem Programmheft ein dickes „b.36“ mit dem kleinen Zusatz „Schwanensee“ zu finden ist, hier bleibt das Haus seiner einheitlichen Linie treu, was durchaus zu begrüßen ist.

Der am gestrigen Tage frisch geehrte Bundesverdienstkreuzträger Martin Schläpfer bleibt ebenfalls seiner Linie treu und versucht auch dem großen Handlungsballett seinen eigenen Stempel zu geben. So bedient man sich bei der Deutschen Oper am Rhein dem Originallibretto aus dem Jahr 1877 und weniger der allseits bekannten Choreographie von Marius Petipa und Lew Iwanow der St. Petersburger Aufführung aus dem Jahre 1895. Dies bedingt auch einige Rollenänderungen, beispielsweise ist Odettes Stiefmutter hier der „Oberbösewicht“ und Rotbart ihr ergebener Diener und Gehilfe. Den Gegenpol hierzu bildet Odettes Großvater als gute Seele, was zu einigen klassischen „Gut gegen Böse“-Konfrontationen führt. Hierzu setzt auch die Musik stellenweise aus und die Tänzer agieren in absoluter Stille. Im Gesamten wirkt die Choreographie erwartungsgemäß sehr modern und abgeklärt und liefert durchaus ansehnliche Bilder, die von allen Tänzern hervorragend umgesetzt werden. Das Ballett am Rhein verfügt wohl nach wie vor über eine der besten Compagnien des Landes. Und endlich dürfen Sie auch mal in großen Gruppenbildern zeigen wie synchron sie tanzen können, leider sind diese aber recht spärlich gesät, schade.

Als Siegfried hat Marcos Menha richtig viel zu arbeiten an diesem Abend, dies gelingt stets elegant und ausdrucksvoll. Auch Marlúcia do Amaral überzeugt als Odette. Ihre Stiefmutter gibt Young Soon Hue mit einer ausdrucksstarken Bosheit, dass es Sonny Locsin als Rotbart an ihrer Seite schwer hat. Schwer hat es auch Boris Randzio der für Rolle des Großvaters einfach deutlich zu jung ist und man erstmal lange braucht um zu verstehen, was oder wen er überhaupt verkörpern soll. Sehr souverän dagegen Virginia Segarra Vidal als Siegfrieds Mutter und Camille Andriot als Odile, stellvertretend für alle anderen Tänzer. Am Pult der Duisburger Philharmoniker leitet der junge Aziz Shokhakimov das Orchester schwungvoll und präzise, so dass die bezaubernde Musik von Peter I. Tschaikowsky wunderbar zur Geltung kommt, ich gebe zu ich mag es intensiv und laut.

Insgesamt dürfte dieser Schwanensee für moderner eingestellte Ballettfreunde zweifellos ein echtes Juwel sein, Anhänger des traditionell bekannten Werkes könnten aber ohne weitere Beschäftigung mit der Umsetzung enttäuscht werden. Allerdings erläutert das Programmheft hier sehr schön die Auseinandersetzung des Chefchoreographen mit dem Werk und auch die Einführung vor den Vorstellungen ist diesbezüglich dringend zu empfehlen. Ballettneulingen sei an dieser Stelle gesagt, dass es für sie in Duisburg drei sehr, sehr lange Stunden werden könnten. Das Premierenpublikum zeigte sich allerdings in sehr großen Teilen überzeugt und spendete langen und intensiven Applaus zum Schluss, der sich beim Auftritt Schläpfers sogar noch steigerte.

Markus Lamers, 03.10.2018
Bilder: © Gert Weigelt

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