Duisburg: „Das fliegende Klassenzimmer“, Lucia Ronchetti

Am vergangenen Wochenende fand die Uraufführung der neuesten Familienoper aus dem Projekt „Junge Opern Rhein Ruhr“ am Theater Duisburg statt. Hierbei nahm man sich mal wieder einen Klassiker der Kinderbuchliteratur vor und brachte mit Das Fliegende Klassenzimmer eine sehr unterhaltsame Vorstellung auf die große Bühne des Opernhauses. Friederike Karig schuf ein Libretto nach dem gleichnamigen Kinderbuch von Erich Kästner aus dem Jahr 1933, welches recht nah an der Vorlage bleibt. Da diese Geschichte per se aus einzelnen Episoden besteht, eignet sie sich in der Tat gut für eine theatrale Umsetzung im Rahmen einer rund 75minütigen Oper für die gesamte Familie (Altersempfehlung ab 8 Jahre). Dabei wird das Stück geschickt in die Gegenwart verlagert, so dass die Geschichte auch vom zahlreich anwesenden jungen Publikum gut verstanden wird. Aus fünf Jungen sind nun drei Jungen und zwei Mädchen geworden, wobei Uli hier als Hosenrolle daherkommt, so dass man trotz der ungeraden Personenzahl fast von einer „50:50-Lösung“ sprechen kann. Wobei die genaue Aufteilung auch komplett egal ist, wichtig ist viel mehr, dass die Botschaften des Buches sehr gelungen auf die Bühne gebracht werden. Erzählt wird eine Geschichte von Freundschaft, Zusammenhalt und einer Welt, in der auch die jungen Schüler mit ganz eigenen Schwierigkeiten und Problemen umgehen müssen. Martins Familie hat nicht so viel Geld, um ihm die Heimfahrt zum Weihnachtsfest zu bezahlen. Uli ist oft etwas ängstlich und wird von den Mitschülern diesbezüglich gemobbt. Und auch Johnny, Franka und Matilda haben so ihre eigenen kleineren Problemchen. Dennoch sind die fünf unzertrennlich und sorgen nicht nur für eine Zusammenführung ihres Lehrers Dr. Johann Bökh mit seinem lange verloren geglaubten Freund oder verteidigen das Internat gegen die rivalisierenden Realschüler, sondern drehen gemeinsam auch einen Film für die diesjährige Weihnachtsfeier der Schule.

© Jochen Quast

Diese Filmentwicklung, eine Modernisierung der Theateraufführung aus der Buchvorlage, bildet in dieser Produktion einen gewissen roten Faden. Die Schüler fliegen mit ihrem Klassenzimmer zu den verschiedensten Orten der Welt und stellen fest, dass beispielsweise ein Vulkan ausbricht und alles unter seiner Lavamasse begräbt. In der Wüste ist auch der letzte Tropfen Wasser verschwunden und ein Überleben ist dort nicht mehr möglich. Auch der Eisbär kann in der nördlichen Polarregion nicht mehr überleben, da seine Eisscholle schmilzt und der Wasserspiegel ständig ansteigt. All dies macht den Schülern Angst, so dass sie ihre Botschaft „Stoppt Klimawandel – Sonst sind wir alle tot“ mit diesem Film zum Ausdruck bringen. Ein wichtiges Thema, welches auf diese Art und Weise geschickt in die Oper integriert wurde, ohne die eigentliche Geschichte zu sehr zu verändern und ohne mit dem erhobenen Zeigefinger daherzukommen. Dennoch verwendet Regisseurin Ilaria Lanzino in diesem Zusammenhang durchaus eindringliche Bilder, die in ihrer Art der Darstellung zwar stets kinderfreundlich erzählt werden, insbesondere bei den Erwachsenen Zuschauern durchaus emotional wirken. Auch die zuvor schon erwähnten Kernaussagen des Buches sind so dargestellt, dass sie für fast alle Altersklassen nachvollziehbar sind.

© Jochen Quast

Musikalisch kann die Komposition von Lucia Ronchetti, seit 2021 künstlerische Leiterin der Musik Biennale Venedig, überzeugen. Allerdings startet die Oper sehr turbulent und das Ohr muss sich an die Art der modernen Vertonung erst mal gewöhnen, denn die Komponistin setzt auf atmosphärische Klangteppiche und nicht auf eine für Sänger oder Sängerinnen komponierte Oper. Dies dauert eine gewisse Zeit, dann allerdings kann als Zuschauer gut in die Musik eintauchen, die immer wieder einzelne Szenen ganz besonders musikalisch untermalt. So erinnert der Kampf zwischen Internat und Realschule durchaus in gewisser Weise an die Vertonung alter Western-Filme, bei denen das anstehende Duell in der Luft liegt. Die Reise zu den Pyramiden klingt dagegen eher orientalisch angehaucht. Die Duisburger Philharmoniker spielen diese Uraufführung unter der musikalischen Leitung von Patrick Francis Chestnut durchaus schwungvoll mit großem Einsatz des Schlagwerkes. Die Rollen der fünf Schüler und Schülerinnen sind mit Chorong Kim (Superhirn und Leseratte Franka Krüger), Hagar Sharvit (herrlich toughe aber stets hungrige Matilda Selbmann, genannt Matz), Valerie Eickhoff (ängstlicher Uli von Simmern), David Fischer (künstlerisch veranlagter zukünftiger „Star-Regisseur“ Johnny Trotz) und Sander de Jong (kreatives Genie Martin Thaler) stark besetzt. Sehr sympathisch und liebenswert kommen Roman Hoza als Schulleiter Dr. Bökh, meist genannt Justus, und Torben Jürgens als „Nichtraucher“ in ihren Rollen daher.

© Jochen Quast

Nachdem das Stück mit der Aufführung des Filmprojektes auf der Weihnachtsfeier sein Ende findet und die jungen wie älteren Zuschauer bei der Premiere lautstark ihren Beifall für Darsteller und Kreativteam zum Ausdruck brachten, bleibt am Ende die Hoffnung, dass möglichst viele Erwachsene auch im fortgeschrittenen Alter ihre Jugend nie ganz vergessen werden.

Markus Lamers, 16. Mai 2023


Das Fliegende Klassenzimmer

Familienoper von Lucia Ronchetti

Deutsche Oper am Rhein, Duisburg

Besuchte Uraufführung: 14. Mai 2023

Inszenierung: Ilaria Lanzino

Musikalische Leitung: Patrick Francis Chestnut

Duisburger Philharmoniker

Weitere Termine: 18. Mai, 26. Mai, 27. Mai, 4. Juni, 5. Juni (und ab 22. Oktober in Düsseldorf)

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