Aufführungen am 30.12.21 und 2.1.22
Es war interessant, einen Blick auf eine Inszenierung zu werfen, die in den seit ihrer Entstehung vergangenen Jahren immer sehr erfolgreich war. Seit Jahrzehnten in Italien lebend, schienen mir die Heiterkeit auslösenden Momente nicht so sehr aus der Musik generiert, als von einem leicht verzerrten Blick der Regisseurin Katharina Thalbach auf italienischen Humor. Für sie sind die ersten Szenen in moderner Gewandung (Kostüme: Guido Maria Kretschmer) nur der Rahmen für eine Handlung, die dann mit wie in der der Commedia dell’Arte gekleideten Figuren bestritten wird. Die Seitenfläche eines während der Ouverture hereingebrachten Lasters wird aufgeklappt, und ein aus Kaffeehausbesuchern, Flanierenden und Badegästen mit entsprechender Ausrüstung bestehendes Publikum folgt den Geschehnissen auf dieser kleinen „Bühne“ (das den LKW umgebende Bühnenbild von Momme Röhrbein mit seinen spanischen Hausfassaden ist sehr hübsch). Damit wird einerseits das Problem (wenn man es denn als solches sehen will) einer heute nicht mehr aktuellen Vormund-Mündel-Beziehung umgangen, andererseits der Eindruck eines „avanspettacolo“ (das waren in Italien früher Varietéprogramme vor der Filmvorführung) erweckt. Die Blödelei wird nämlich übertrieben, die Figuren werden viel herumgestoßen, viel zu oft müssen sich die Sänger auf den Boden werfen usw. Die Figuren scheinen damit nicht ernst genug genommen.Dagegen wird die Verleumdungsarie zu ernsthaft illustriert, wenn sich ein wegen angeblicher Kinderverführung gemobbter Mann das Leben nehmen will.
Die musikalische Realisierung war auf hohem Niveau, denn das Orchester des Hauses folgte dem in Berlin debütierenden Matteo Beltrami mit hörbarer Genauigkeit und entwickelte einen funkelnden Klang, als stünden die vom Dirigenten verlangten furiosen Crescendi ständig auf dem Programm der Musiker. Ausgezeichnet am Fortepiano Elda Laro.
Von der Besetzung ist als erstes die Russin Aigul Akhmetshina zu nennen, eine Rosina, die ihren – ebenfalls russischen – Kolleginnen der Herbstpremieren in Wien und Mailand turmhoch überlegen war. Es handelt sich bei ihrer Stimme um einen echten, volltönenden Mezzo mit der nötigen Tiefe für die in Altbereiche führenden Passagen. Wie nachzulesen war, hat die junge, spielfreudige Sängerin bereits Verträge mit New York, Paris, München und Barcelona. Ihr Almaviva war der fesche Spanier Juan De Dios Mateos, dessen flinker Koloratur auch große körperliche Wendigkeit entsprach. Die Titelrolle wurde von dem Australier Samuel Dale Johnson mit üppig klingendem Bariton und ungeahnten körperlichen Reserven verkörpert (ihm wurden die heftigsten gymnastischen Leistungen abverlangt). Der Amerikaner Noel Bouley ließ mit einem angenehm timbrierten, für die Bufforolle des Bartolo fast zu „schönen“ Bariton aufhorchen und musste einen alten Trottel mimen. Ein anderer Amerikaner, Patrick Guetti, verfügte für den Basilio über imposantes Bassmaterial, dem der Feinschliff leider noch in hohem Maße abgeht. Erfreulich klang der südkoreanische Stipendiat Samueol Park als Fiorillo, während sich seine Landsfrau Antonia Ahyoung Kim, gleichfalls Stipendiatin, mit der Berta noch plagte.
Die beiden Aufführungen waren mehr oder weniger auf dem selben Niveau, nur Johnson wirkte am 2.1. gegen Ende etwas ermüdet. Das Publikum im relativ gut besuchten Haus spendete beide Male begeisterten Beifall (man möge also meinen Bemerkungen nicht zuviel Gewicht verleihen).
Eva Pleus 20.1.22
Bilder (c) Bettina Stöß