„Junge Stimmen zur Bühne!“ ist das Motto des seit 1979 alljährlich stattfindenden Bundeswettbewerbs Gesang Berlin , abwechselnd die Sparten Oper / Konzert und Musical/ Chanson abdeckend. In diesem Jahr waren wieder Oper und Konzert an der Reihe, und in einem Konzert, dass eigentlich drei Stunden dauern sollte, nachdem man aber bereits nach gut anderthalb Stunden wieder vor der Deutschen Oper auf der Bismarckstraße stand, stellten sich die diesjährigen Preisträger vor, die insgesamt 50 000 Euro an Preisgeldern errungen und nun die Gelegenheit bekommen hatten, sich einem großen Publikum vorzustellen und mit einem erfahrenen Opernorchester unter der fürsorglichen Leitung von Patrick Lange zusammen zu arbeiten.
In den vergangenen Jahrzehnten hatten Sänger wie als einer der Ersten Bernd Weikl, wie Michael Volle, Michaela Kaune, Thomas Quasthoff, Daniel Behle, Mojca Erdmann ( gleich dreimal), Dietrich Henschel, Claudia Mahnke, Marlis Petersen oder Christine Schäfer Preise errungen, und die Preisträgerliste liest sich wie ein Who is who der deutschen Sangeselite. Da verwunderte es zunächst etwas, dass die Opernarien im Programm eher die Minderheit der zu hörenden Beiträge darstellten, das Lied einen breiten Spielraum einnahm. Das ist eine wunderbare Kunstform, leider aber augenblicklich kaum dazu geeignet, eine Karriere zu machen, höchstens gestandene Opernsänger wie Diana Damrau oder Jonas Kaufmann füllen noch einen großen Saal mit einem Liedprogramm, ohne eine glanzvolle Karriere als Opernsänger dürfte man als Liedsänger auf verlorenem Posten stehen. Das sicherlich verdienstvolle Bemühen um das deutsche Liedgut ist eine Sache, das eher bescheidene Abschneiden deutscher Sänger bei internationalen Wettbewerben und die Dominanz amerikanischer, asiatischer und slawischer Sänger auch im deutschen Repertoire ist eine andere. Der bwgwsang ist quasi eine Schutzzone für deutsche Sänger, da zwar auch junge Künstler aus dem EU-Bereich zugelassen sind, sie aber an einer deutschen Hochschule studiert haben müssen. So hatten sich in diesem Jahr 272 Kandidaten um eine Teilnahme am Wettbewerb beworben, von denen 75 zugelassen worden waren.
Das Konzert begann mit dem Countertenor Jonathan Mayenschein, der leider nicht ohne Klavierauszug erscheinen mochte, in Vivaldis „Armatae Face“ souverän beherrschte höchste Töne präsentierte, in der tieferen Lage jedoch noch Substanz aufbauen müsste. Frisch, höhensicher und mit beherztem Aplomb näherte sich Anne Flender Bachs „Ich folge dir gleichfalls“, auch bei ihr ist die Mittellage noch ausbaufähig. Katharina Bierweiler hatte ein reiches Farbspektrum und viel Innigkeit für Brahms‘ „Dein blaues Auge“, der Bass Aaron Selig versuchte erfolgreich, Loewes „Meeresleuchten“ mit Leben zu erfüllen. Bereits über ein raffiniertes An- und Abschwellen der Töne und über eine glasklare Sopranstimme verfügt Sofia Savenko, die ein Lied von Rachmaninow vortrug. Der von wechselnden Klavierpartnern begleitete erste Teil fand seinen End- und absoluten Höhepunkt mit Purcells „Music for a While“, das Countertenor Nils Wanderer
mit einer in allen Registern gleichmäßig präsenten, über ein warmes Timbre verfügenden Stimme äußerst souverän zu Gehör brachte. Später konnte er beweisen, dass er im englischen Fach auch bei Britten hochprofessionell zu Hause ist.
Nach der Umbaupause und dem Erscheinen des Orchesters gab es eine weitere freudige Überraschung mit dem Tenor Magnus Dietrich, der für die Bildnisarie und für die entschwundene Martha eine schöne Tenorstimme voller Melancholie und Schmelz hatte, eine vorzügliche Diktion und nicht nur Gesang, sondern zugleich Interpretation bot, so im Wechsel von Frage und Entscheidung bei Mozart. Die Operette kam mit Friederike Meinke
und „Meine Lippen, die küssen so heiß“ zu ihrem Recht. Eine üppige Operettenstimme, die Kontaktaufnahme zum Publikum und eine kleine Tanzeinlage prädestinieren die junge Sängerin für das von ihr gewählte Fach. Als Ausdrucksmittel benutzte Ansgar Theis mit Mahlers Tambourg’sell seinen angenehmen Bariton, scheute auch den „hässlichen“ Klang nicht. Eine Irrsinnsaufgabe hatte sich Josefine Mindus mit Mozarts Konzertarie „Vorrei spiegarvi, oh Dio“ vorgenommen, die sie souverän mit fulminanten Läufen und enormer Höhensicherheit bewältigte. Ein süffiges Timbre einer darstellenden Stimme setzte Valentin Ruckebier für Schreker ein, Bella Adamowa erfreute in Mahlers Urlicht mit einem aparten Timbre, mit viel Farbe auch im Piano und einer interpretatorisch reifen Leistung. Frisch, Kraftvoll und mit viel Stimmsubstanz pries Ann-Kathrin Niemczyk
die „Teure Halle“ und ließ Hoffnung keimen auf deutschen Nachwuchs auch für die ganz große Oper. Ein schöner lohnender Abend. Weitere Bilder finden Sie hier.
Ingrid Wanja 13. Dezember 2022
Bundeswettbewerb Gesang
Preisträgerkonzert
Oper Operette Konzert
Deutsche Oper Berlin
12. Dezember 2022
Moderation: Frederick Hansen
Dirigat: Patrick Lange
Orchester der DOB